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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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die Hitze im Innern des dunklen Busses beinahe unerträglich.
    Â»Wie lange soll das noch gehen?«, murmelte Einsatzleiter Schäfer.
    Â»Das ist mir egal«, entgegnete Nicola Engel. »Wenn die Sache ohne Blutvergießen ausgeht, kann es von mir aus noch zehn Stunden dauern.«
    Â»Hast du mit Nika geschlafen?« , ertönte in diesem Moment Marks Stimme aus dem Lautsprecher, und Bodenstein, der allmählich mit Konzentrationsproblemen zu kämpfen hatte, fuhr zusammen.
    Â»Ja, das habe ich« , erwiderte Theodorakis. »Sie hat sich in mich verliebt und mich regelrecht verfolgt. Sie ist nackt vor mir herumgelaufen, wenn Ricky nicht da war. Irgendwann hab ich halt nicht mehr anders gekonnt.«
    Bodenstein musste schlucken. Es war, als ob sich unversehens ein düsterer Abgrund vor ihm auftat. Das konnte doch nicht wahr sein! Annika hatte mit diesem Kerl geschlafen? Hatte sie ihm nicht mehrfach erzählt, wie absolut widerlich er ihr immer gewesen sei? Plötzlich war er eifersüchtig, aber er zweifelte nicht an dem, was Theodorakis sagte, denn der hatte eine geladene Pistole vor Augen. Also hatte Annika gelogen. Aber warum?
    *
    Was war in den letzten vierundzwanzig Stunden vorgefallen, das Mark derart aus der Bahn geworfen hatte? Während Pia gehorsam die Kamera abwechselnd auf Ricky und Jannis hielt, beobachtete sie den Jungen aus dem Augenwinkel und grübelte darüber nach. Seine scheinbare Ungerührtheit bekam umso tiefere Risse, je mehr Jannis und Ricky redeten. Und das taten sie. Mark hatte Ricky irgendwann die Augenbinde abgenommen; nun kehrten sie und Jannis mit dem Blick in die Mündung der Pistole ihr Innerstes nach außen, offenbarten rücksichtslose Ich-Bezogenheit und ihre Verachtung füreinander und für ihre Mitmenschen. Es war widerwärtig.
    Jannis räumte ein, Mark für seine Aktionen gegen den geplanten Windpark ausgenutzt zu haben, nachdem er erfahren hatte, wer sein Vater war. Er gab bereitwillig zu, ein totaler Egoist zu sein, ein mieser Lügner, ein Schwein. Ricky gestand, dass sie sich von Marks Vater hatte bestechen lassen, dass sie die Unterschriften vernichtet und für Geld die Arbeit der Bürgerinitiative sabotiert hatte.
    Mark hörte sich das alles mit unbewegter Miene an, aber sein Blick war lebendiger geworden, nicht mehr so starr. Ob das ein gutes Zeichen war oder ein schlechtes, wagte Pia nicht zu beurteilen. Fakt war, dass er eine entsicherte Pistole in der Hand hielt, fünf Dosen dieser aufputschenden Limo getrunken hatte und seine Emotionen jederzeit außer Kontrolle geraten konnten. Noch immer war ihr nicht völlig klar, was Mark mit seinem »Tribunal«, wie er es nannte, bezweckte.
    Â»Hast du mit Nika geschlafen?«, fragte Mark nun.
    Â»Ja, das habe ich«, gab Jannis zu. Sein Gesicht war kreidebleich, er schwitzte stark, und das Auge, das nicht zugeschwollen war, glänzte unnatürlich. Wahrscheinlich hatte er Fieber.
    Â»Warum?«, fragte Mark nach.
    Â»Sie hat sich in mich verliebt und mich regelrecht verfolgt«,sagte Jannis.»Sie ist nackt vor mir herumgelaufen, wenn Ricky nicht da war. Und irgendwann hab ich halt nicht mehr anders gekonnt. Außerdem, das gebe ich zu, hatte ich gehofft, sie würde mir nützlich sein. Weil sie sich mit Windgutachten und so etwas auskannte.«
    Â»Aber du hast doch immer behauptet, du würdest Ricky lieben. Das war also gelogen, oder?«
    Â»Ich hab mich irgendwann mal in Ricky verliebt. Aber das wurde immer weniger. In der letzten Zeit fand ich sie nur noch schrecklich anstrengend.« Er verlagerte sein Gewicht auf dem unbequemen Stuhl und stöhnte auf. »Ich hab Durst. Bitte, ich muss was trinken.«
    Mark beachtete ihn nicht.
    Â»Und du?«, wandte er sich stattdessen an Ricky. »Hast du Jannis geliebt?«
    Friederike Franzen war einer Ohnmacht nah. Die Stunden in der unbequemen Haltung, die Todesangst, die Demütigung, das alles hatte sie erschöpft, und Pia empfand trotz allem, was die Frau getan haben mochte, Mitleid mit ihr.
    Â»V… von Anfang an schon, a… aber später n… nicht mehr«, stammelte sie. Mark hatte das Teletaktgerät kein zweites Mal benutzt, hielt die Fernbedienung aber noch immer in der Hand.
    Â»Wieso hast du es dann zu ihm gesagt?«
    Â»Weil … weil … das … das sagt man doch eben so.«
    Mark sprang von seinem Stuhl auf, trat ganz nah an Ricky heran und bohrte den

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