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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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mächtige Freunde, die er regelmäßig schmiert. Ich weiß das, schließlich habe ich ihm jahrelang dabei geholfen, sein Netzwerk in Politik und Wirtschaft aufzubauen, und ich habe …«
    Â»Okay«, unterbrach Nika ihn. »Wann soll ich das machen?«
    Jannis lächelte zufrieden. Sie hatte angebissen.
    Die Türglocke im Laden bimmelte.
    Â»Schaffst du es noch heute?«, fragte er rasch. »Vor der Versammlung?«
    Â»Ich kann es versuchen. Um halb zwei bin ich zu Hause«, sagte sie, dann wandte sie sich um und ging zurück in den Laden. Ein dunkler Audi fuhr in den Hof. Ricky. Die musste ihn nun wirklich nicht hier sehen. Jannis folgte Nika, die sein verschwörerisches Zwinkern ignorierte, und ging hinaus auf die Straße. Bevor er sich auf sein Fahrrad setzte, atmete er einmal tief durch. Perfekt! Mit Nikas Hilfe würde er Theissen und Konsorten einen Strich durch die Rechnung machen. Einen richtig fetten Strich.
    *
    Im Haus roch es süß und muffig, als sei lange nicht gelüftet worden. Der Fliesenboden war so schmutzig, dass die eigentliche Farbe kaum noch zu erkennen war, die Fensterscheiben waren blind, und in der Diele stapelten sich alte Zeitungen, Jacken, Schuhe und leere Flaschen. Pia gefiel es nicht, in die Privatsphäre fremder Menschen einzudringen, auch wenn das oft unabdingbar war, um mehr über das Umfeld eines Toten herauszufinden. Ihr Unbehagen wuchs, als sie sah, welche Unordnung herrschte. Seitdem man ihre Wohnung durchsucht hatte, als sie vor ein paar Jahren entführt worden war, achtete sie penibel auf Ordnung und Sauberkeit. Es war absurd, aber allein die Vorstellung, fremde Leute würden in ihrer schmutzigen Unterwäsche herumkramen, die Nase rümpfen und später womöglich noch darüber reden, war grässlich.
    Â»Wie hat er es in so einem Schweinestall ausgehalten?« Bodenstein war fassungslos. »Früher konnte man hier vom Fußboden essen. Elfis Tod muss ihn wirklich viel mehr aus der Bahn geworfen haben, als ich dachte.«
    Pia war ein wenig erstaunt über das plötzliche Mitgefühl ihres Chefs. Sie enthielt sich eines Kommentars, ging weiter, blickte in einen Raum nach dem anderen. Im Wohnzimmer herrschten ähnliche Zustände wie in der Diele, es gab kaum eine freie Fläche. Auf dem Couchtisch standen zwei benutzte Gläser, die Türen eines alten Bauernschranks waren weit geöffnet. Hatte Hirtreiter gestern Nacht noch Besuch gehabt?
    Â»Schau dir das mal an«, sagte Pia. »Was ist das denn wohl?«
    Neben dem altertümlichen Röhrenfernseher stand ein seltsames Gebilde, eine Art Metallbogen, an dem eine Schaukel angebracht war. Darunter lag eine Zeitung, die mit Vogelkot bedeckt war.
    Â»Er hat Hugin ins Haus geholt.« Bodenstein seufzte und schüttelte den Kopf. »Früher hauste er mit den Hunden im Zwinger.«
    Â»Wer?«
    Â»Hugin. Ein Kolkrabe. Benannt nach einem der beiden Raben, die auf Odins Schultern saßen.« Bodenstein lächelte kurz. »Nordische Göttersagen waren Ludwigs Steckenpferd. Er hat sie uns damals, als wir noch Kinder waren, immer erzählt. Deshalb hießen unsere Hunde auch Freya und Fenris.«
    Pia wunderte sich schon längst nicht mehr über das, was sie in den Häusern und Wohnungen fremder Menschen sah. Ein zahmer Rabe im Wohnzimmer war eine vergleichsweise harmlose Verrücktheit.
    In einem Zimmer stapelten sich blaue und gelbe Müllsäcke mit Papier, Zeitschriften, leeren Flaschen und Kleidern. Ludwig Hirtreiter schien nach dem Tod seiner Frau der Haushalt über den Kopf gewachsen zu sein. Das Bett im Schlafzimmer war zerwühlt, das ehemals weiße Bettzeug quittengelb. Im Badezimmer lag Schmutzwäsche von Wochen in der Badewanne, das Waschbecken hatte einen Sprung und schwarze Ränder, es roch durchdringend nach Urin. Sie betraten die verwahrloste Küche, wo Unmengen leerer Wein- und Wasserflaschen in den Ecken des Raumes standen.
    Â»Mit seiner Post hat er es wohl auch nicht mehr so genau genommen.« Pia nahm einen Stapel geöffneter und ungeöffneter Briefe vom Tisch und blätterte sie durch, dann schaute sie in den Kühlschrank, in dem Schimmel und Schmutz regierten, und in die anderen Schränke. Mäusedreck auf der klebrigen Arbeitsfläche. Spinnweben an den Decken.
    Â»Oliver! Pia!«, rief Kröger aus dem Flur. Pia steckte die Briefe in einen Plastikbeutel, sie gingen in den

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