Wer Wind sät
von Hennings Gesicht.
»Oh«, sagte er betroffen.
»Vielleicht hättest du sie mal anrufen oder wenigstens an dein Handy gehen sollen«, fügte Pia vorwurfsvoll hinzu. Christian Kröger bog um die Hausecke. Der nasse Overall klebte an ihm wie eine zweite Haut, und seine Laune war so schlecht wie selten.
»Könnten Sie vielleicht allmählich mal loslegen?«, sagte er unfreundlich zu Henning. »Ich wollte eigentlich vor heute Abend hier fertig sein.«
»Ich rede gerade mit meiner Exfrau«, erwiderte Henning kaum liebenswürdiger. »Seien Sie doch froh, dass Sie diesmal vor mir vor Ort waren. Hoffentlich habt ihr mir nicht wieder die Leiche versaut.«
Krögers Miene wurde noch finsterer.
»Was heiÃt hier âºwiederâ¹?«, fuhr er zornig auf.
Henning öffnete den Kofferraum seines Autos.
»Beim letzten Einsatz im Regen hatte irgend so ein unfähiger Dilettant aus Ihrer Truppe die Leiche mit einer Plastikplane abgedeckt, woraufhin die Körpertemperatur nicht mehr aussagekräftig war«, sagte er über die Schulter.
»In meiner Truppe gibt es keine Dilettanten«, knirschte Kröger und lief rot an.
»Könnt ihr vielleicht mal aufhören?«, mischte Pia sich ein, als Henning zu einer zynischen Erwiderung ansetzte. »Ihr benehmt euch ja wie Kleinkinder.«
Christian Kröger schnaubte und schüttelte den Kopf.
»Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wie du es so lange mit diesem ⦠diesem ⦠Widerling aushalten konntest«, zischte er in Pias Richtung, dann drehte er sich um und verschwand Richtung Haus.
»Intelligenter Mann, aber leider etwas primitiv, der Meister Kröger«, kommentierte Henning und stieg in einen weiÃen Overall. »Tendenziell überempfindlich. Eine fatale Mischung.«
Pia verdrehte die Augen und sagte nichts dazu. Sie mochte Kröger und arbeitete gerne mit ihm zusammen, auch wenn er ab und zu launisch war.
»Ruf Miriam an«, riet Pia ihrem Exmann, bevor sie Kröger zum Haus folgte.
Hinter dem rotweiÃen Absperrband, das die Streifenbeamten quer über den Weg gespannt hatten, bremste ein roter Lieferwagen, auf dessen Seitentür eine stilisierte Krone abgebildet war. Ein glatzköpfiger Mann kurbelte das Fenster herunter und sprach mit einem der beiden Streifenbeamten, dabei blickte er neugierig zu Pia hinüber. Hatte sich die Nachricht von Hirtreiters Tod etwa schon im Dorf herumgesprochen und lockte erste Schaulustige an? Der Glatzkopf legte den Rückwärtsgang ein und fuhr wieder davon. Polizeiobermeister Bradl kam auf Pia zu.
»Frau Kirchhoff!«, rief er. »Habbe Se malân Moment?«
»Was gibtâs?«, fragte Pia.
»Des ebe war der Schorsch von der Krone, unne von der HauptstraÃ. Er hat was Interessandes zu saache. Wolle mer grademol da nunnerfahrân und middem redde?«
»Gleich. Ich muss eben noch mal ins Haus. Was sagt er denn?«
»Der Ludwisch, der hat gestern Abend in der Krone rischtisch Ãrjer gehabt. Vielleischt hamsen ja deshalb erschosse.«
»Aha.« Pia hob die Augenbrauen. Das klang wirklich interessant. »In fünf Minuten bin ich da.«
*
Er stand am Waschbecken im Badezimmer und schrubbte seine Arme und Hände mit der Nagelbürste, bis die Haut dunkelrot war, doch der widerliche Blutgeruch schien nicht zu verschwinden. Mit ihm und Ricky ging es zu Ende. Alles, was ihm früher an ihr gefallen hatte, nervte ihn mittlerweile: ihre aufdringlich gute Laune, ihr rastloser Aktionismus, ihre oberflächliche Freundlichkeit. Das Schlimmste war, dass sie ihn nicht mehr anmachte. Mochten andere Männer sie sexy finden, ihn stieÃen ihre immerbraune Haut und ihr sehniger Körper ab. Ihr Ausraster gestern Nacht hatte ihm den Rest gegeben. Rasend vor Zorn und Eifersucht war sie auf ihn losgegangen, wie eine Furie. Das Blut an seinen Kleidern, die ganze Aufregung und die Fahrt durch die Nacht hatten so viel Adrenalin in seinen Körper gepumpt, dass er beinahe zurückgeschlagen hätte.
Jannis drehte das heiÃe Wasser ab und griff nach einem Handtuch. Er hatte noch jede Menge Arbeit, denn bei der Versammlung heute Abend würde er auf dem Podium sitzen, und dafür wollte er perfekt vorbereitet sein. Ludwig hatte sich mit seiner Heimlichtuerei selbst ein Bein gestellt und um das Vertrauen des Vorstandes gebracht. Natürlich hatte er die demokratische Entscheidung nicht
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