Wer Wind sät
geschüttelt.
»Wir müssen seine Familie benachrichtigen.« Pia zog den ReiÃverschluss ihrer Windjacke hoch. Nach den letzten beinahe schon sommerlich warmen Tagen war es heute kalt. Das nasse Gras hatte ihre Schuhe durchweicht, sie fröstelte. Ein Windstoà lieà einen weiteren Schauer rosafarbener Blütenblätter auf den Toten und seinen Hund herabregnen. Bodenstein blickte hinunter zum Hof. Zwei Streifenwagen bogen in die Toreinfahrt ein, gefolgt vom dunkelblauen Bus der Spurensicherung.
»Das übernehme ich.« Er nickte. »Seine Frau ist vor ein paar Jahren gestorben, aber ich werde mit seinen Kindern sprechen.«
*
Pia saà auf der obersten Holzstufe unter dem weit vorgezogenen Dach und rauchte eine Zigarette. Feiner Nieselregen hatte eingesetzt, die Stimmung der Kollegen vom Erkennungsdienst tendierte gegen null. Bodensteins Vater hatte ihr den Schlüssel für seinen grünen Landrover in die Hand gedrückt und war in den Streifenwagen eingestiegen, der ihn nach Hause bringen würde.
Ihr Blick schweifte über den Hof mit der herrlichen Kastanie in der Mitte. Das müsste Christoph sehen, dachte sie. Er wäre sicher genauso begeistert wie sie. Das ganze Anwesen wirkte zwar ein wenig vernachlässigt, aber nicht völlig heruntergekommen. Christian Kröger hatte seine Mitarbeiter zur Leiche geführt und kam nun über die Wiese zurück. Pia zog noch einmal an der Zigarette.
»Schmeià bloà die Kippe nicht irgendwo hier hin«, meckerte Kröger, als er an ihr vorbei die Treppenstufen hochging, um die Haustür zu begutachten.
»Bist wohl mit dem falschen Fuà aufgestanden, was?« Pia schüttelte den Kopf und trat mit dem Absatz die Zigarette aus. Ihre Laune war nach der kurzen Nacht in Miriams Gesellschaft auch nicht die beste. »Der Schlüssel liegt übrigens unter dem Topf mit dem Buchsbaum.«
Die Leute hatten so unglaublich leichtsinnige Verstecke für ihre Zweitschlüssel, dass es schon an grobe Fahrlässigkeit grenzte.
»Danke«, brummte Kröger. In dem Moment bog ein silberner Mercedes Kombi mit Frankfurter Kennzeichen schwungvoll in den Hof ein.
»Na, der hat mir ja noch gefehlt. Es hatte geheiÃen, er sei krank«, bemerkte der Chef der Spurensicherung missmutig.
»Mir kommt er gerade recht«, entgegnete Pia, steckte die Zigarettenkippe in die Jackentasche und marschierte auf das Auto ihres Exmannes zu. Sie riss die Fahrertür auf, kaum dass das Fahrzeug zum Stehen gekommen war.
»Sag mal, hast du noch alle Tassen im Schrank?«, fuhr sie Henning gruÃlos an. »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?«
»Hallo, Pia.« Dr. Henning Kirchhoff grinste und stieg aus. Er wirkte übernächtigt, aber er schien allerbester Laune zu sein, denn er tat etwas Unglaubliches: Vor allen Leuten schloss er Pia in die Arme und küsste sie auf die Wange.
»Spinnst du jetzt total?« Sie stieà ihn verärgert von sich. »Ich versuche seit gestern Nacht, dich zu erreichen! Warum gehst du nicht ans Telefon?«
»Ist etwas passiert?« Er nahm ihr die Zurückweisung nicht übel. Pia starrte ihn ungläubig an. Was war denn mit dem los? Hatte ihn der Besuch bei seinem Kind in einen solchen Freudentaumel versetzt, dass er Miriam völlig vergessen hatte?
»Wie konntest du einfach zu der Löblich fahren und â¦Â«, begann Pia, aber Henning unterbrach sie.
»Hör mir zu!« Er rieb sich die Hände. »Ja, ich bin ins Krankenhaus gefahren. Ja, ich hab mir das Baby angeguckt. Aber doch nicht, weil ich mich gefreut habe. Ich hab ihm ein Haar ausgerissen und es sogar geschafft, einen Abstrich von seiner Mundschleimhaut zu nehmen, ohne dass Valerie das bemerkt hat.«
Er gab ein glucksendes Geräusch von sich. Pia zweifelte ernsthaft an seinem Verstand. So aufgekratzt hatte sie ihn noch nie erlebt.
»Heute Nacht habe ich im Labor einen Vaterschaftstest gemacht«, verriet er ihr mit gesenkter Stimme. Pia war einen Moment sprachlos.
»Und?«, fragte sie dann.
»Ich bin zu 99 , 9 % nicht der Vater«, verkündete er hochzufrieden.
»Na, herzlichen Glückwunsch. Dafür bist du zu 99 , 9 % Miriam los«, entgegnete Pia nüchtern und stemmte die Hände in die Seiten. »Sie ist gestern Abend total aufgelöst bei uns aufgekreuzt und hat sich die Augen aus dem Kopf geweint.«
Der glückselige Ausdruck verschwand schlagartig
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