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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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benachbarten Raum. Pias Blick glitt über die Wände, an denen gerahmte Urkunden und jede Menge verstaubter Jagdtrophäen hingen. Geweihe von Rehen, Gemsen, Hirschen und anderem Wild.
    Â»Was ist das denn?«, fragte sie befremdet.
    Â»Das Jagdzimmer«, erklärte Bodenstein und wandte sich an Kröger. »Was gibt’s?«
    Â»Mit seinen Waffen war er akkurat.« Der Chef der Spurensicherung wies auf einen Waffenschrank. »Er hat hier außen am Schrank eine Liste aller seiner Lang- und Kurzwaffen angebracht, und wenn ich das richtig sehe, fehlen eine Mauser 98 , ein Drilling Marke Krieghoff Trumpf Kaliber 7 × 57 R und eine P 226 SIG .«
    Â»Was ist denn ein Drilling?«, fragte Pia. Christian Kröger schüttelte den Kopf über so viel Unwissenheit bei einer Kollegin.
    Â»Ein Jagdgewehr mit drei Läufen. Die Krieghoff Trumpf kombiniert Schrot- und Kugelläufe miteinander, die verschiedene Kaliber haben.«
    Â»Schrotschuss gleich Totschuss«, zitierte Bodenstein eine alte Jägerweisheit.
    *
    Auf der kurzen Fahrt vom Rabenhof hinunter ins Dorf offenbarte Polizeiobermeister Alois Bradl Insiderwissen vom Feinsten. In Ehlhalten geboren und aufgewachsen, kannte er aufschlussreiche Details der Animositäten innerhalb der Familie Hirtreiter. Die Söhne hatten ihrem Vater schon vor langem den Rücken gekehrt und sich danach nicht mehr im Dorf blicken lassen. In den letzten zwei Wochen waren sie allerdings gleich mehrfach gesichtet worden; im Zusammenhang mit der Nachricht vom Kaufangebot für die Pfaffenwiese hatte das die Gerüchteküche ordentlich angeheizt.
    Frauke, die Tochter, hatte zeit ihres Lebens sehr unter ihrem dominanten Vater gelitten, ihr und ihrer bedauernswerten Mutter hatte das kollektive Mitgefühl des Dorfes gegolten. Zum Schluss äußerte Bradl noch einen schwerwiegenden Verdacht: Frauke war gestern Abend auf dem Rabenhof gewesen, die Schwester eines Schwagers seiner Cousine hatte sie vorbeifahren sehen. Und Frauke, das war allgemein bekannt, war in ihrer Jugend das Aushängeschild des Schützenvereins gewesen, sie hatte es zu hessischen und deutschen Meisterehren gebracht und besaß einen Jagd- und einen Waffenschein. Leider wusste Bradl nicht genau, wo Gregor, Frauke und Matthias Hirtreiter wohnten, aber das würde Bodenstein zweifellos über seinen Vater in Erfahrung bringen.
    Bradl stellte den Streifenwagen hinter dem roten Lieferwagen auf dem Parkplatz ab, sie stiegen aus und betraten die Gaststätte durch den Hintereingang, der in einen schmalen Flur mit abgetretenem Fliesenboden führte. Es roch nach Fisch und ranzigem Öl. Die Metalltür eines Kühlhauses stand offen, eine untersetzte Frau manövrierte sich gerade rückwärts aus dem Kondensnebel in den Flur, in den Händen eine Steige mit Salatköpfen.
    Â»Gude, Herda«, sagte Bradl. »Wo isn der Schorsch?«
    Â»Ei, Alwis«, grüßte sie den Polizisten. »Un? Hast’n gesehe, den Ludwisch? Der Graf hat dem Schorsch erzählt, des tät schrecklisch aussehe un die hädde sogar dem sein Hund erschosse …«
    Â»Hhhhrmmm.« Bradl räusperte sich nachdrücklich, und die Frau, eine zähe, kleine Person um die sechzig mit grauem Kurzhaarschnitt, Damenbart und heftiger Rosacea im Gesicht, verstummte, als sie Pia bemerkte. Pia nahm sich vor, Kollege Bradl später an seine Schweigepflicht während laufender Ermittlungen zu erinnern. Bevor im Ort die Spekulationen ins Kraut schossen, musste dem Klatsch Einhalt geboten werden.
    Â»Guten Tag«, sagte Pia. »Wo finden wir Ihren Mann?«
    Die Frau wies mit einem stummen Kopfnicken auf eine Tür weiter hinten im Flur.
    Â»Nach Ihnen, Kollege.« Pia ließ Bradl keine Gelegenheit, Informationen auszuplaudern, und folgte ihm in den Schankraum der Krone. Der Glatzkopf stand hinter dem Tresen und war damit beschäftigt, Gläser aus der Spülmaschine in ein Regal zu räumen.
    Â»Des ist der Kilbe Schorsch«, erklärte Bradl. »Der Georg Kilb, mein ich.«
    Der Wirt wischte sich die Wurstfinger an einem Küchenhandtuch ab und musterte Pia misstrauisch von Kopf bis Fuß.
    Â»Sie sin die Kripo?« Das klang etwas enttäuscht.
    Â»Ja. Kriminaloberkommissarin Kirchhoff«, bestätigte Pia. »Wollen Sie meinen Ausweis sehen?«
    Â»Naa. Schon gut. Isch glaabs Ihne.« Er warf sich das Handtuch über die Schulter und krempelte die Ärmel

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