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Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
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atmen.
    Pass auf dich auf. Ich habe solche Angst.
    Weißt du noch, früher?
    Fritzi, bleib hier.
    Ich habe dich immer so lieb gehabt, Fritzi.
    Charlotte kommt die Treppe herunter. Fritzi streckt der Schwester die Hand hin.
    »Also, mach’s gut.«
    »Viel Glück, Fritzi.«
    »Ja.«
    Da stehen sie nun. Man ist falsch erzogen worden. Man hat die falschen Dinge gelernt. Charlotte geht mit Fritzi hinaus. Tisa tritt vor die Tür. Sie sieht, wie Fritzi das Pferdefuhrwerk besteigt. Die Pferde ziehen an, auf dem Weg zur BahnstationLübstorf. Am Ende der Auffahrt dreht Fritzi sich noch einmal um. Er winkt.
    Einmal streichelt er ihren Arm. Einmal ihre Wange. Einmal sagt er etwas.
    »Wäre es nicht schön, wenn man noch in Tressow vorbeischauen könnte. Es ist so nah. Aber es bleibt keine Zeit.«
    Dann schweigen sie wieder. Der Mecklenburger Sommerhimmel ist hoch und hell. Die Eichen und Linden links und rechts der Allee marschieren gen Osten, die Kronen innig ineinander verschränkt. Die Pferde zuckeln gehorsam ihren Weg, im Kloppediklopp ihrer schweren Hufe. Charlotte ist ganz heiter. Er ist ja noch da. Sie spürt ihn neben sich, seine Gegenwart, seine Wärme. Dann taucht die Bahnstation auf. Die Pferde verlangsamen ihren langsamen Schritt. Er sagt: »Du weißt, es steht höchstens fifty-fifty.«
    Sie sagt: »Du machst es aber.«
    »Natürlich.«
    Die Pferde kommen zum Stehen.
    »Dann geht es auch gut. Nicht wahr? Wenn du es machst, dann geht es gut.«
    Das kurze Licht seines Lächelns, an, aus.
    »Ich hoffe nur, die Frauen der anderen sehen das auch so. Dann muss es wohl gutgehen.«
    Er springt vom Fuhrwerk, nimmt seine Tasche. Er hat nur diese eine kleine Tasche dabei. Der Graf reist gern leicht. Sie gehen zusammen den Bahnsteig entlang. Der Zug ist noch nicht da. Ein leichter Wind weht.
    »Du weißt wohl nicht, wann du wiederkommst, Fritzi?«
    »Nein. Sobald ich irgend kann. Das weißt du ja. Ich denke immer an dich, und an meine Kinder.«
    Dann sieht sie den Zug in der Ferne. Er braust heran, ineiner Wolke aus Rauch und Dampf. Gleich wird er da sein. Er wird seine Gleise nicht verlassen. Er kann sich nicht frei seinen Weg suchen, er kann nicht über die Felder ins Ziellose.
    »Mein Liebesgenius. Wir bleiben, wie wir sind, einander vertraut.«
    Er lässt sie los. Der Zug fährt ein. Fritzi wirft die Tasche in den Waggon. Er tritt ans offene Fenster. Charlotte hält ihm die Hände entgegen.
    »Gute Reise. Und viel Glück bei allem.«
    »Es wird schon werden.«
    Der Zug fährt an. Charlotte lässt los. Sie winkt, Fritzi winkt. Der Zug gewinnt an Fahrt. Er hat nur kurz Aufenthalt, an dieser kleinen Station.
    Charlotte geht zum Fuhrwerk zurück. Es ist furchtbar wie immer. Charlotte löst die Zügel, klettert auf das Fuhrwerk. Die Pferde ziehen an. Einen Moment später sind sie wieder auf der Allee. Die Bäume marschieren ungerührt gen Westen. Der Himmel ist hell. Das Kloppediklopp der schweren Hufe fügt sich ergeben in die Zeit, in die verhängten Gesetze der erkaltenden Welt. Und war er wirklich gerade noch da?
    Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg: Hat er eben noch neben ihr gesessen? War es nicht gerade erst, dass sie ihm entgegengefahren ist? Allein kam er die Landstraße herauf. Sie hätte ihn beinahe nicht gesehen. Die schmale Gestalt in der grauen Uniform war so seltsam mit dem Abend und der Landschaft verschmolzen, als löste sie sich in der Sommerdämmerung auf.
    Der neue Tag hat begonnen. Der 20. Juli. Eben hat es von der Weimarer Stadtkirche ein Uhr geschlagen. Peter Yorcks Zug geht um zwei. Peter hat vorhin auf dem Pücklerschen Polterabendeine ergreifende Rede gehalten. Er hat der Rede einen Bibeltext zugrunde gelegt: »Lob der Hausfrau«, Sprüche 31, 10–31,
    Wem eine tüchtige Frau beschert ist, die ist viel edler als die köstlichsten Perlen. Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen. Sie tut ihm Liebes und kein Leid ihr Leben lang.
    Die arme Braut war sichtlich erschrocken. Auch die Hochzeitsgesellschaft hat eine Weile gebraucht, um wieder das vorherige Niveau der Ausgelassenheit zu erreichen. Es konnte ja keiner wissen, dass Peters Hohelied auf Liebe und Ehe gar nicht an das Brautpaar gerichtet war. Es war kein mahnender Appell an ein junges Mädchen: Es war Peter Yorcks Dank an Marion Winter, seine Ehefrau seit vierzehn Jahren. Kurz nach Mitternacht haben die Yorcks sich von Sylvius Pückler und seiner Braut verabschiedet. Sie sind in den Park an der Ilm gegangen, vorbei an Goethes Gartenhaus. Der

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