Wer wir sind
deren Teufel sich in Uniformen kleiden oder bestrebt sind, ihre Vertiertheit durch gut sitzende zivile Anzüge zu bemänteln. Nein, nicht ihre Vertiertheit: Tiere sind rein. Klaus denkt an den Hund auf Dürers Stich, an der Wand des Kinderzimmers zu Hause: ›Ritter, Tod und Teufel‹. Der Tod ist die edlere Wahl. Der Teufel stinkt. Klaus hat ihn gerochen, in Blut und Erbrochenem, in Exkrementen. Er hat den Teufel gesehen, während er auf dem Boden kniete, das Blut schoss ihm aus Mund und Nase, und er hörte sich wimmern,
Aufhören, bitte aufhören
Menschen umstanden ihn. Sie hatten Menschengesichter. Dann trat ihm einer in die Nieren, und er konnte nicht mehr atmen. Klaus hat keine Angst vor dem Sterben, auch nicht vor dem Erhängtwerden. Er möchte nur diese Gesichter nie mehr sehen. Er möchte überhaupt lieber sterben, als diese Gesichter noch einmal zu sehen. Er hat den Teufel gesehen. Das wird er nicht los.
Reisebericht des 1. Staatsanwalts Dr. Gündner, 7.–14. Februar 1945
München:
Verwaltungsamtsmann Gerst bat, die Errichtung der Richtstätte Straubing möglichst zu beschleunigen, da er baldmöglichstabtransportieren möchte. Er klagt ferner darüber, dass die Gnadenentscheidungen bei Todesurteilen verhältnismäßig lange auf sich warten lassen. Zzt. säßen 12 zum Tode Verurteilte ein, deren Urteil seit mehr als 3 Monaten rechtskräftig ist.
Nürnberg:
Der Ausbau der Richtstätte ist durch die Witterung verzögert, wird aber nun mit Nachdruck fortgesetzt.
Bamberg:
Die bisher für den Bezirk zuständige Richtstätte in Frankfurt am Main ist für Gefangenentransporte nicht mehr zu erreichen. Der Generalstaatsanwalt schlägt deshalb vor, künftig Straubing als Richtstätte zu benennen. Ich habe angeregt, eine eigene Richtstätte in Bayreuth zu schaffen, wo ohnedies der Volksgerichtshof tagen wird. In Bayreuth hat sich ein Scharfrichter aus Posen gemeldet. Nach den baulichen Verhältnissen könnte, wie der Generalstaatsanwalt versichert, dort eine Richtstätte geschaffen werden. Der Bezirk würde diese Lösung begrüßen.
Am 5. März wird Ernst von Harnack in Plötzensee an ebenjenem Eisenbalken erhängt, der gut zwei Jahre zuvor für seinen Vetter Arvid und dessen Mitkämpfer hier eingezogen worden ist.
Und Hans von Dohnanyi muss sich nun mit Ruhr infizieren. Das schreibt er Christel. Sonderegger hat Hans mitgeteilt, wie innig der Reichsführer-SS Heinrich Himmler auf Hans von Dohnanyis baldige Genesung hofft. Der Krieg ist so gut wie vorüber, soll Hans nun noch die Hinrichtung riskieren? Hans braucht eine solide Ruhr, die ihn ins Krankenhaus bringt.
Decke eine Speise rot zu, und ich weiß, ein ordentlicher Infekt ist darin. Wenn ich nicht bald krank werde, kommeich auch so in ein Krankenhaus und dort machen sie mich gesund.
Wobei ihm das Weiterlebenmüssen jetzt oft über ist.
In manchen Momenten scheint ihm die Vorstellung völlig fantastisch, in die normale Welt des Alltags zurückzukehren. Er ist nicht mehr brauchbar. Er ist befleckt. Ihm ist alle Unschuld abhandengekommen. Aber er muss sich erhalten, für Christel und die Kinder. Er darf ihre Liebe nicht enttäuschen. Hans muss weinen, wenn er an diese Liebe denkt. Es erscheint ihm atemberaubend unwahrscheinlich, dass es etwas so Großes gibt wie die Liebe seiner Frau.
Es gibt wenig Männer, die so glücklich und so reich sind wie ich. Das Glück und der Reichtum meines Lebens, Du bist es, Du!
Aber was tut sie eigentlich, wie lebt sie, womit verbringt sie den Tag? Was machen die Kinder? Er kann es sich nicht mehr vorstellen. Frühstücken sie, gehen sie zu Bett? Sicherlich. Singen sie, während in Sachsenhausen die Knüppel auf die zerbrechlichen Knochen des Schlüsselbeins, des Schädels, der Finger niedersausen? Spielen sie ein Gesellschaftsspiel, während die Geschlagenen flehen, bis ihnen die Lippen zu Brei gedroschen sind? Wann schickt ihm Christel endlich die Ruhrbakterien?
Christel und der Vater kämpfen verbissen darum, dass Hans ins Staatskrankenhaus der Polizei in der Scharnhorststraße 13 verlegt wird. Das kommt aber nicht in Frage, wenn er eine ansteckende Infektion hat. Hans schreibt,
Vielleicht hatte Maaß in Moabit ganz recht, und mit dem, was Du mir bist und die Kinder, und mit dem, was ich erreicht hatte, hätte ich der glücklichste Mensch unter der Sonne sein können. Wozu sich scheren um die Allgemeinheit … Das sind so Gedanken, die auch wieder gehen.
Am 13. März kollabiert er. Ein paar Tage später wird er
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