Wer zuerst kommt, küsst zuerst
am liebsten geschrien und den Himmel um Gerechtigkeit angefleht hätte. „Es geht ja nicht mal um mich.“
Dana nahm sie in den Arm. „Es tut mir leid.“
Lexi klammerte sich an ihre Freundin. „Der Kuss hat ihm nichts bedeutet. Da bin ich mir sicher. Er war nicht mit dem Gefühl dabei. Es war nicht mehr als eine Gewohnheit oder ein Reflex. Ich fühle mich nicht verraten. Es war nur, als hätte jemand ein Licht eingeschaltet, in dem ich auf einmal alles genau erkennen konnte.“
Sie richtete sich auf und wischte sich die Tränen von den Wangen. „Ich hänge mit dem Herzen in der Sache, und für ihn ist es nur ein Spiel. Ich muss aufhören, bevor ich völlig daran kaputtgehe.“
„Am liebsten würde ich ihn windelweich prügeln“, sagte Dana. „Aber hast du dir das Ganze auch gut überlegt? Willst du nicht zuerst mit ihm reden?“
„Um ihm was zu sagen? ‚Mensch, Cruz, ich habe wohl nicht aufgepasst und mich in dich verliebt‘? Eher ungünstig.Ich will weder sein Mitleid noch irgendeinen Deal. Ich will, dass ich, Lexi, ihm etwas bedeute. Genau wie bei meinem Vater. Wahrscheinlich brauche ich eine Therapie.“
„Wer braucht die nicht?“, meinte Dana.
„Ich sollte sein Herz einfach nicht gewinnen“, resümierte Lexi und spürte, wie ihr Inneres zu bröckeln begann. „Es war mir nicht vergönnt. Bei beiden nicht.“
„Cruz ist nicht Jed.“
„Ich weiß. So durcheinander bin ich dann auch wieder nicht. Aber ihm liegt nichts daran, auch nur ein kleines bisschen von sich einzubringen, und was das mit einer Frau machen kann, habe ich ja gesehen. Meine Mutter ist von Jed vertrieben worden, und Pru hat sich umgebracht.“
„Du bist stärker als sie beide zusammen.“
„Ich fühle mich nicht besonders stark.“
„Was willst du jetzt tun, und wie kann ich dir dabei helfen?“
„Ich gehe. Ich kann nicht hierbleiben. Ich muss in Ruhe nachdenken und mir klar werden, was ich als Nächstes mache.“
„Du meinst wegen des Angebots.“
„Auch.“ Die Rückzahlung der zwei Millionen war im Augenblick ihr geringstes Problem. Sie seufzte. „Ich bin schwanger.“
Sie hatte Dana noch nie sprachlos gesehen. Ihre Freundin wurde blass. „Bitte sag, dass du Witze machst.“
Lexi schüttelte den Kopf. „Ich habe es ihm noch nicht gesagt.“
„Was du nicht sagst. Schwanger. Also, man kann dir wirklich nicht vorwerfen, dass du um den heißen Brei herumredest.“
„Ich weiß.“ Lexi ging zur Treppe. „Ich packe jetzt ein paar Sachen, schnappe mir C.C., und dann will ich nur noch in meine Wohnung.“
„Ich helfe dir.“
Sie brauchten nicht lange, um die Koffer zu packen. Irgendwann in den nächsten Tagen würde Lexi zurückkommen und die restlichen Sachen holen. Während sie sich vergewisserte, dass sie alles Nötige hatte, sammelte Dana den Kater samt Zubehör ein.
Lexi stand in der Mitte des Schlafzimmers, das sie und Cruz geteilt hatten. Obwohl sie nur kurz hier gelebt hatte, war der Raum voll von Erinnerungen. Voller Chancen, es richtig anzugehen. Aber Cruz hatte es nicht richtig angehen wollen. Er wollte …
Was wollte er eigentlich? Vielleicht nur eine Illusion. Die perfekten Kontakte. Reichtum und Privilegien. Aber das war nicht das wahre Leben. Das wahre Leben war chaotisch, aufregend und steckte voller Überraschungen. Im wahren Leben ging es nicht um Stammbäume, sondern um das Herz. Es ging darum, zu geben und zu akzeptieren, zu teilen und zu brauchen. Es ging darum, sich verbunden zu fühlen.
Vielleicht versuchte sie genauso wie er, all diese Dinge zu umgehen. Sie war über Jahre auf Nummer Sicher gegangen. Sie hatte sich hinter dem Familiennamen und ihrem Ruf als Eisprinzessin versteckt, weil sie so niemand richtig verletzen konnte.
Aber jetzt galt es, sich um mehr zu sorgen als nur um sich. Jetzt gab es ein Kind, an das sie denken musste. Kein Erbe und auch keine neue Generation, sondern ein wundervolles Baby, das sie lieben würde – ganz gleich, was da kommen mochte.
Und was Cruz betraf würde sie einen Weg finden, über ihn hinwegzukommen. Gut, möglicherweise hatte sie in den letzten zehn Jahren immer wieder darüber nachgedacht, wie sie eine zweite Chance bekäme. Und wenn schon. Sie würde die Situation meistern. Sie musste. Wenn er ihr nicht gebenkonnte, was sie wollte – Liebe, die er ihr aus freien Stücken schenkte, Liebe, die sie sich nicht verdienen musste –, wollte sie ihn überhaupt nicht.
Starke Worte, die sich wirklich gut anhörten. Sie hatte auch vor, daran
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