Wer zuerst kommt, küsst zuerst
Kredit entließen. Sie war frei … zumindest von finanziellen Verbindlichkeiten. Nun galt es, andere Rechnungen zu begleichen, und die Uhr tickte. Bald würde sie bei Cruz einziehen müssen.
Sie öffnete die oberste Schreibtischschublade und beäugte den darin liegenden weißen Briefumschlag. Ein Schlüssel und eine Adresse, sonst nichts. Sie hatte keine Ahnung, wie sein Haus aussah, und sie war zu feige gewesen vorbeizufahren. Sie würde es noch früh genug sehen … das Unvermeidbare aufzuschieben schien ihr im Moment eine gute Idee zu sein.
Es war nicht das Zusammenleben mit ihm, das sie mitten in der Nacht hochfahren ließ – auch wenn sie noch nie mit einem Mann zusammengelebt hatte. Es war das Mit-ihm-Schlafen. Oder vielmehr das Nachgrübeln darüber, wie es sich vermeiden ließe.
Sie war verängstigt und aufgeregt zugleich. Verängstigt wegen der Ereignisse von damals und aufgeregt, weil nie wieder jemand so intensive Gefühle in ihr geweckt hatte wie Cruz. Allein der Gedanke an seine Hände auf ihrem Körper, an seine Zunge, die sie in den Wahnsinn trieb, reichte, um jede einzelne Zelle ihres Körpers zum Vibrieren zu bringen.
Andererseits war es zehn Jahre her. Vielleicht war das Erlebnis in ihrer Erinnerung viel spektakulärer als in Wirklichkeit. Vielleicht war es ganz gewöhnlich gewesen. Mit Cruz hatte sie ihr erstes Mal erlebt. Sie hatte damals also keine Vergleichsmöglichkeiten gehabt. Vielleicht wäre es heute gar nicht mehr so toll, mit Cruz zu schlafen.
Ein Mädchen durfte ja wohl noch hoffen.
Die Bürotür wurde aufgerissen, und Skye stapfte ins Zimmer, direkt gefolgt von Dana. Ihre Schwester schwenkte eine Zeitung.
„Wusstest du davon?“, fragte Skye aufgebracht. Ihre grünen Augen funkelten wütend. „Ach, warte. Natürlich wusstest du davon, es geht ja schließlich um dich. Aber hast du es deiner Schwester erzählt?“ Sie knallte die Zeitung auf Lexis Tisch. „Nein. Ich musste es wie jeder andere aus diesem Käseblatt erfahren.“
Lexi hatte keine Ahnung, wovon sie redete. Sie senkte den Blick, und was sie sah, verschlug ihr den Atem: ein Bild von sich neben einem Foto von Cruz, und darüber eine riesige Schlagzeile, die ihre Verlobung verkündete.
Sie spürte die Wut in sich aufsteigen. Wie hatte er das nur tun können, ohne sie vorher zu informieren? Die Antwort war nicht schwer zu erraten. Er wollte sichergehen, dass sie ihre Meinung nicht änderte. Er traute ihr nicht. Und nach dieser Nummer hatte er auch allen Grund, sich vor ihr in Acht zu nehmen. Aber zuerst musste sie Skye besänftigen. Wie um Himmels willen sollte sie ihr das erklären?
„Es tut mir leid“, begann Lexi, während sie aufstand und um ihren Schreibtisch herumging. „Ich wollte es dir ja sagen.“
„Ach so. Na, dann sieht die Sache ja gleich ganz anders aus. Ich weiß, dass unser Verhältnis in letzter Zeit ein bisschen angespannt war, aber das hätte ich nicht von dir erwartet. Was war denn los? Hattest du keine Zeit, mit mir zu reden, weil du erst noch die Wäsche machen musstest?“
Lexi führte ihre Schwester zu den Sofas am anderen Ende des Zimmers. Dana kam hinterher. Sie wirkte eher neugierig als wütend.
Sie setzten sich. In Gedanken suchte Lexi nach den richtigen Worten, mit denen sie alles erklären konnte. Sie hatte gewusst, dass dieses Gespräch auf sie zukäme, sie hatte nur nicht schon heute damit gerechnet. Warte nur, Cruz, dachte sie wütend, wenn ich dich erwische, kannst du was erleben.
„Möchtet ihr was essen?“, fragte sie. „Ich könnte Tee und Sandwiches bestellen.“
Dana imitierte ein Würgen. „Für mich nicht. Ich hasse dieses Körnerbrot, das es hier gibt. Ständig hängt einem irgendwas zwischen den Zähnen.“
„Aber es ist gesund“, erwiderte Lexi.
„Essen interessiert mich nicht“, unterbrach Skye sie scharf. „Du kannst mich nicht mit Essen besänftigen, und schon gar nicht mit Kräutertee und vegetarischen Sandwiches.“ Sie verzog ihre Lippen zu einem dünnen Strich. „Du hast dich verlobt, ohne mir ein Sterbenswörtchen zu sagen.“
Mit der Wut konnte Lexi umgehen, aber nicht mit dem Schmerz, den sie ihrer Schwester zugefügt hatte. Mit einem Mal fühlte sie sich klein und wie ein Schuft. „Es tut mir leid“, sagte sie und berührte Skyes Hand. „Ehrlich. Es ging alles so schnell. Ich hätte es dir noch erzählt. Ich hatte keine Ahnung, dass Cruz eine Annonce schaltet. Ich wollte nicht, dass du es auf diese Art erfährst.“
„Aber du hast ihn
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