Wer zuerst kommt, küsst zuerst
unsicher, ob das gut oder schlecht war. Sie hatten dieses Land im Blut. Es hatte schon Einfluss auf sie genommen, als sie noch dachten, gegen Dinge wie Schicksal und Tradition immun zu sein. Sie konnte sich genauso wenig von der Aussicht auf Jeds Vermächtnis trennen wie sie sich den Arm hätte abschneiden können.
„Wie läuft es mit Cruz?“, fragte Skye.
„Gut“, log Lexi. „Er ist so wunderbar. Ich bin wirklich glücklich, dass wir wieder zueinander gefunden haben.“
„Eure Geschichte ist so romantisch“, murmelte Skye, und es klang ein bisschen neidisch.
Lexi fühlte sich schlecht. Nichts an ihrer Geschichte war romantisch. Sie hielt Cruz immer noch so weit wie möglich auf Abstand. Sie hatte sogar die Pille abgesetzt, nur damit sie ihre Periode bekäme. Das hatte ihr eine ganze Woche Zeit verschafft. In ein paar Tagen würde sie wieder mit der Einnahme beginnen und sich dann eine andere Ausrede einfallen lassen, damit er nicht in ihrem Bett schlief.
Sie hatte die ungute Ahnung, dass der Sex mit Cruz besser sein würde, als sie es in Erinnerung hatte. Der Gedanke daran machte ihr Angst.
„Mommy, darf ich zu Fiddle gehen?“, fragte Erin.
Mit ihren roten Haaren und den großen Augen sah sie ihrer Mutter sehr ähnlich. An ihren verstorbenen Vater erinnerte höchstens die Form ihres Kinns, aber im Grunde war sie eine Miniaturausgabe von Skye.
Skye lachte. „Wird sie für immer Fiddle heißen?“
Erin grinste. „Mhm. Darf ich?“
„Natürlich. Sag Fidela, sie soll bitte anrufen, wenn du dich auf den Rückweg machst.“
„Mach ich.“
Das Mädchen winkte und trieb sein Pferd an. Der kleine Wallach fiel in Trab und dann in einen ruhigen Galopp.
Fidela war die Haushälterin der Cassidys. Lexi und ihre Schwestern waren als Kinder oft dort gewesen. Fidela hatte immer frisch gebackene Plätzchen für einsame Mädchen da. Das hatte Erin offenbar auch schon spitz gekriegt.
„Ich habe sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen“, sagte Lexi leise.
„Du solltest mal vorbeifahren. Sie würde sich freuen, dich zu sehen.“
„Bist du oft dort?“
„Jede Woche. Nimm dir doch mal die Zeit. Sie war schließlich mal wichtig für uns.“
Überempfindlich wie Lexi im Augenblick war, konnte sie mit der leichten Kritik ihrer Schwester nicht umgehen und schoss ohne nachzudenken zurück. „Ist Mitch immer noch weg?“
Kaum hatte sie die Frage gestellt, machte sich das schlechte Gewissen breit.
„Schätze schon“, erwiderte Skye knapp. „Hab nichts anderes gehört.“
Mitch Cassidy war für die drei Titan-Mädchen der perfekte Schwarm gewesen – gut aussehend und stark mit einem lässigen Lächeln auf den Lippen, bei dem sie alle weiche Knie bekommen hatten. Aber allein Skye hatte sein Herz vor acht Jahren erobert.
Erobert und fallen gelassen, als Jed darauf bestanden hatte, dass sie jemand anderen heiratete. Sie musste sich zwischen ihrem Vater und dem Mann entscheiden, den sie liebte, und wählte die Familie. Tage später ging Mitch zur Navy, wo er später der Spezialeinheit SEAL beitrat.
„War er überhaupt schon mal wieder hier?“, fragte sie.
„Woher soll ich das wissen?“ Skye starrte Lexi wütend an. „Ich verfolge nicht jeden seiner Schritte. Es ist lange her. Ich will nicht über ihn reden, okay?“
„Okay. Gut.“ Anscheinend war Mitch noch immer ein sensibles Thema.
Weil sie es bereute, dass sie ihn Jed zuliebe verlassen hatte? Oder weil ihr Herz sich nie ganz erholt hatte?
Skye seufzte. „Tut mir leid. Von Zeit zu Zeit muss ich immer noch an die Sache mit Mitch denken. Es ist schon lange her, und ich bereue nicht, dass ich Ray geheiratet habe. Er war ein guter Mann, ich habe ihn geliebt. Er hat mir Erin geschenkt, und sie ist mein Leben.“
Wohl wissend, dass sie einen weiteren Rüffel riskierte, fragte Lexi: „Hast du dich eigentlich mal gefragt, was geschehen wäre, wenn du bei Mitch geblieben wärst?“
Skye zögerte. „Ja, schon öfter. Ich weiß nicht. Vielleicht … Wir waren noch Kinder, ich bin mir nicht sicher, ob wir es geschafft hätten. Ray war die bessere Wahl.“
„Besser oder sicherer?“
„Das ist keine faire Frage. Verdammt, Lexi, hör auf, über mich zu urteilen.“
„Tu ich doch gar nicht.“
Sie sahen sich an. Die Spannung knisterte.
Das war früher nicht so, dachte Lexi. Sie wusste, dass der eigentliche Grund für ihre Probleme Jed hieß. Sie zwang sich dazu, sich wie eine Erwachsene zu benehmen.
„Waffenstillstand?“, fragte
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