Wer zuerst kommt, küsst zuerst
dass sie alleine in seinem großen Bett schlief, hatte er nur beiläufig erwähnt. Sie wusste nicht, wo er die Nächte verbrachte – vermutlich in einem der Gästezimmer. Eigentlich hätte sie das glücklich machen sollen, doch sie musste sich eingestehen, dass sie ihn mit jeder verstreichenden Minute mehr wollte.
Weil sie einfach nicht vergessen konnte, wie es in der einen Nacht vor zehn Jahren zwischen ihnen gewesen war. Mansollte meinen, dass ein Ereignis, das schon so lange zurück lag, nicht mehr von derartiger Bedeutung wäre, aber da irrte man.
Sie dachte daran, wie er sie auf den Mund geküsst hatte, dann am ganzen Körper, vor allem zwischen den Beinen. Etwas, das sie bis dahin noch nie erlebt hatte. Er hatte sie in Sekundenschnelle zum Höhepunkt gebracht, danach sexy und selbstgefällig gelacht und darauf bestanden, dass sie noch mal käme, auf dieselbe Art. Und sie hatte gehorcht.
Er hatte sie geneckt, war zärtlich gewesen und sexy und …
Hör auf, daran zu denken!
Sie schrie sich innerlich regelrecht an. Es ging schließlich darum, keinen Sex mit Cruz zu haben, und an die Vergangenheit zu denken half ihr nicht gerade dabei.
Sie rutschte in ihrem Sitz hin und her. Sie war erregt und fühlte sich zugleich unbehaglich. Dann fiel ihr wieder ein, dass sie gleich eine alte Frau belügen würden, die es nicht verdient hatte, so behandelt zu werden, und augenblicklich war das Verlangen verschwunden.
„Was hast du ihr über mich erzählt?“, wollte sie wissen.
„Nicht viel. Nur, dass wir uns schon lange kennen und ich dich endlich überzeugen konnte, mich zu heiraten.“
„Toll. Dann bin ich also die Böse?“
Er grinste. „Es ist meine Mutter. Ich werde garantiert nicht der Böse sein.“
Typisch Mann.
In Sugar Land, einer wachsenden Pendlerstadt im Südwesten Houstons, fuhren sie vom Freeway ab. Hier gab es Dutzende Restaurants und Geschäfte, gepflegte Grünflächen und Parks. Ein wahrer Vorstadthimmel. Der ideale Ort für ein Wellnessbad, dachte Lexi abwesend. Sie hatte zwar nicht vor zu expandieren, aber es war interessant.
Zuerst die persönliche Krise, ermahnte sie sich. Das berufliche Brainstorming musste warten.
Lexi wusste zwar nicht viel über Cruz’ Kindheit, aber sie hätte wetten können, dass er nicht aus einem Ort wie diesem kam.
Mrs. Rodriguez musste sehr stolz auf ihren Sohn sein. Ihren einzigen Sohn. Ohne Zweifel das Licht ihres Lebens.
„Sie wird mich hassen“, murmelte sie.
Cruz antwortete mit einem Lachen.
Sie parkten vor einem kleinen Haus in einer hübschen Straße. Lexi stieg aus dem Wagen und gab sich alle Mühe, die aufsteigende Beklemmung herunterzuschlucken. Sie war gut im Umgang mit anderen Menschen. Sie hatte professionelle Trainings bekommen, damit sie sich in Anwesenheit von Prinzen und Präsidenten wohlfühlte und ungezwungen geben konnte. Und wo waren die hochdekorierten Diktatoren, wenn sie mal einen brauchte?
„Atme und lächle“, befahl sie sich im Stillen, während sie auf die Haustür zugingen.
Sie wurde geöffnet, noch bevor Cruz klopfen konnte. Lexi sah eine kleine Frau mit dunklen Haaren und entschlossenem Blick, die Cruz fest umarmte und dabei die ganze Zeit auf Spanisch auf ihn einredete. Sie hatte keine Ahnung, was die andere Frau sagte. Seine Antworten bestanden nur aus „Ja, Mama“ und „Nein, Mama“.
Endlich machte die ältere Frau einen Schritt zurück. „Du lässt deine zukünftige Frau einfach vor dem Haus warten? Cruz, wo sind deine Manieren?“
„Mama, das ist Lexi Titan. Lexi, meine Mutter, Juanita.“
Lexi lächelte und reichte ihr die Hand. „Schön, Sie kennenzulernen, Mrs. Rodriguez.“
Die kleine Frau wischte die Worte mit einer Handbewegung fort. „Nenn mich Juanita. Oder Mama. Das machen alle. Kommt. Kommt rein.“
Sie trieb sie durch den offenen Wohnbereich in eine großeKüche, wo aus den Töpfen auf dem Herd köstliche Düfte entwichen.
Der Raum war hell und freundlich, gestärkte Vorhänge schmückten das blitzende Fenster, und die Bodenfliesen glänzten so sehr, dass sie fast als weitere Lichtquelle durchgingen. Sogleich verspürte Lexi den Drang, ihre Schuhe auszuziehen und den Weg, den sie durch die Wohnung gegangen war, zu wischen.
Juanita, hübsch und voller Lebensenergie, stellte sich vor sie und nahm Lexis Hände. „Jetzt lass dich mal ansehen.“
Cruz’ Mutter reichte Lexi bis knapp an die Schultern. Sie war leger gekleidet, trug eine dunkle Hose und eine Bluse. Ihre goldenen Ohrringe
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