Werden sie denn nie erwachsen?
ihn auf das Campingareal. Ich blieb mit den lauthals protestierenden Vierbeinern außer Sichtweite. Es dauerte gar nicht lang, dann kam Steffi aus der Empfangsbude heraus, setzte sich hinter das Steuer und schaukelte davon.
Zwanzig Minuten später stand sie wieder am Tor und verschwand erneut in der Holzhütte. Die Tür hatte sie offengelassen. »Entweder sind sie noch nicht da, oder ich habe den Campingplatz verwechselt. Wo gibt es denn noch einen?« hörte ich sie fragen. »Zehn Kilometer? Na, das ist ja noch zu schaffen. Jedenfalls herzlichen Dank und auf Wiedersehen.«
»Was hast du dem denn bloß erzählt?« wollte ich wissen, nachdem sie uns wieder eingesammelt hatte.
»Daß ich hier mit Freunden verabredet sei, aber nicht wüßte, ob sie schon da wären, und ob ich mal nachschauen dürfe. Wie du siehst, durfte ich. Jetzt haben wir wieder ein leeres Klo und einen vollen Wassertank.«
»Aber noch immer kein Standquartier.«
Das fanden wir schnell. Gleich hinter dem Campingplatz, nur durch den mannshohen Zaun und dichtes Gebüsch getrennt, befand sich ein großer Parkplatz, auf dem schon mehrere Wohnmobile standen.
Und das nicht erst seit kurzem. Da waren Freiluftherde aufgebaut mit Gasflasche daneben, Sonnenschirme steckten im Sandboden, überall standen Tische und Stühle herum – Camping in Reinkultur.
»Hier bleiben wir!« entschied Steffi sofort. »Das sind alles erfahrene Camper, von denen können wir bestimmt noch was lernen.«
Nur eine Nacht hatten wir bleiben wollen, und dann wurden es doch drei. Tagsüber strampelten wir mit den Rädern durch die Umgebung – es fand sich immer jemand zum Hundesitting –, abends glühten die Grillfeuer und lockten die Ghettobewohner vom Campingplatz an, die mit ihren rohen Steaks erschienen und als Äquivalent für die großmütig überlassenen Kohlen flaserienweise Landwein anschleppten. Sie zeigten uns auch das kleine Hintertürchen, das vom Campingplatz direkt zum Strand führte und tagsüber offenstand. Schamlos benutzten wir sämtliche sanitären Einrichtungen zum Nulltarif, und Steffi hatte sogar die Courage gehabt, in den kleinen Pool zu springen, obwohl der immer von einem bärbeißigen Platzwart bewacht wurde.
Der Abschied fiel uns richtig schwer, als wir uns nach einigen Tagen wieder auf den Weg machten, doch wir wollten noch ein bißchen mehr von der Camargue kennenlernen. Am meisten trauerte Otto. Er hatte die morgendlichen Spaziergänge am Strand entlang geliebt – er im Wasser, Jojo in gebührender Entfernung davon –, und lange noch jaulte er den Pferdeäpfeln nach, die er so gerne gefrühstückt hätte. Am ersten Tag war ihm das noch geglückt, von da an paßten wir auf.
Genaugenommen gibt es in der Camargue nur eine Straße, die von Nord nach Süd führt und in Saintes-Maries-de-la-Mer endet. Davon zweigt eine kleinere schräg nach links ab, Generalrichtung Nîmes. Und das war’s auch schon. Alles andere sind mehr oder weniger breite Wege, die in andere Wege münden und immer genau dort einen Bogen machen, wo man eigentlich geradeaus weiterfahren wollte. Das geht aber nicht, denn da ist ein Tümpel. Oder eine sumpfige Wiese. Oder ein Zaun, hinter dem – sehr friedlich und sehr domestiziert – die berühmten wilden Pferde grasen. Von den nicht weniger berühmten schwarzen Stieren haben wir keinen einzigen gesehen, doch Flamingoherden gibt es wirklich noch. Den ersten Exemplaren waren wir auf einer Radtour begegnet. »Guck mal, Steffi, da drüben! Weißt du, was das sind?«
»Ja, Hühner!« erklang es von dem hinter uns radelnden Landsmann, der grinsend sein Leinenhütchen lüftete und in zügigem Tempo überholte, »das sieht man doch.«
Später fanden wir diese rosafarbenen Vögel noch oft, wie sie Nahrung suchend durch das Sumpfgelände staksten.
Kreuz und quer fuhren wir durch diese brettebene, rundherum grüne Landschaft mit ihren unzähligen Wasserarmen, entdeckten Wildblumen, die es bei uns gar nicht mehr gibt, kletterten über Zäune, weil ich Steffi unbedingt neben einer friedlich vor sich hin mummelnden Kuh knipsen sollte, und dann fanden wir sogar meine Blümchenwiese. Nur ein schmaler Weg trennte sie von einem Seitenarm der Rhône; außer einigen Anglern war kein Mensch zu sehen und außer Bienengesumm und Vogelgezwitscher kein Laut zu hören. Eine Idylle.
Allerdings nur bis zum Sonnenuntergang.
Stundenlang hatten wir in der Sonne gebrutzelt und uns erst bei Dämmerungsbeginn zu einem Spaziergang mit den Hunden
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