Werden sie denn nie erwachsen?
verfehlen.«
Seufzend ließ Steffi den Motor wieder an. »Was
wir
nicht verfehlen können, das gibt es überhaupt nicht.«
Diesmal hatte sie sich geirrt. Gleich hinter einem Minidörfchen, das aus vier Häutsern und einer Kneipe bestand, stießen wir auf die Hauptstraße, obwohl wir doch das wegweisende petit amo nirgends gesehen hatten. Erst zu Hause klärte mich Nicki auf. »Ein amo ist ein kleines Dorf, mehr so ’n Weiler, irgendwo mitten in der Pampa.
Kaum biste drin, biste auch schon wieder draußen.«
»Aha. Wie schreibt sich das eigentlich?«
»H-a-m-e-a-u.«
Wer sollte denn das ahnen?
Auf einen Abstecher nach Aiguës-Mortes ließ sich Steffi nicht ein. Sie hatte das erste Autobahnschild entdeckt.
»Wir fahren jetzt bis zur Küste durch! Aiguës-Mortes.
Komischer Name. Was heißt das überhaupt?«
»Tote Wasser.«
»Na also. Was sollen wir denn da? Verdreckte Tümpel haben wir in Deutschland zur Genüge.«
Ist man tagelang über kurvenreiche Landstraßen gekrochen, dann hat eine Autobahn doch gewisse Reize.
Man kommt schneller vorwärts. Zwar trauerte ich immer noch dem herben Charme der Camargue nach, als die ersten Betonwohnklötze der Marseiller Vorstadt auftauchten, doch die verschwanden bald wieder, allerdings nur, um den nächsten Platz zu machen.
»Fürchterlich!« sagte Steffi. »Die reinsten Arbeiterschließfächer. Und das soll die berühmte Riviera sein?«
»Quatsch, die fängt erst weiter oben an, etwa bei St. Tropez.«
»St. Tropez? Kommen wir da durch?«
»Wir können, müssen aber nicht.«
»Natürlich müssen wir! Diesen Tummelplatz der High-Society lasse ich mir doch nicht entgehen.«
»Na, ich weiß nicht. Seitdem Brigitte Bardot sich weniger um Männer und mehr um herrenlose Viecher kümmert, ist St. Tropez ein bißchen in Vergessenheit geraten«, gab ich zu bedenken. »Das einzige, was von dem verblaßten Ruhm geblieben ist, werden vermutlich die Preise sein.«
»Macht nichts. Einmal wenigstens will ich mitten zwischen den Berühmten dieser Welt am Jachthafen sitzen und lässig einen Cocktail schlürfen.«
»Darf’s auch ein Eis sein? Alkohol am Steuer …«
»… schwappt so schnell über, ich weiß. Also gut, ein Eis und ein Erinnerungsfoto.«
Die Berühmtheiten oder auch nur die Reichen haben wir nicht gesehen. Bloß ihre schwimmenden Herbergen, eine größer und luxuriöser als die andere. »Viel Geld müßte man haben«, sagte Steffi, ihr Eis löffelnd und dabei sehnsüchtig zu der schwarzen Jacht hinüberschielend, auf deren Sonnendeck ein Steward die Bordbar auffüllte. »Mit Geld hat man einfach alles.«
»Nicht alles. Zum Beispiel keine unbezahlten Rechnungen.«
Sie lachte.»Sei doch nicht immer so destruktiv.«
Dazu hatte ich allen Grund. Diese beiden Eisportionen waren die teuersten meines Lebens. Für drei kleine Kugeln mit ein bißchen Sahne drauf bezahlte ich vierzehn Mark pro Person, nicht inbegriffen den geklauten Fotoapparat und den Strafzettel wegen überschrittener Parkzeit.
Kassiert wurde an Ort und Stelle.
»Du hattest recht, Määm«, seufzte Steffi, als wir endlich wieder im Wagen saßen, »St. Tropez ist wirklich zu teuer für uns. Am meisten ärgert mich aber, daß jetzt die ganzen Fotos weg sind.«
»Bloß die Fotos? Und was ist mit der Kamera?«
»Das war ja deine. Selber schuld, wie kannste die auch an der Stuhllehne hängenlassen? Alter nützt eben bei Torheit nichts.«
15
Campingplätze haben hundert verschiedene Gesichter. Da gibt es die mit einer simplen Holzbude am Eingang und dem Schild davor »Komme gleich wieder«, und wenn man eine halbe Stunde lang gewartet hat, taucht der Besitzer auf und sagt einem, daß zwar noch Plätze frei seien, aber von den drei Toiletten sei eine kaputt, und warmes Wasser gäbe es nur abends. Dann gibt es das andere Extrem, nämlich jene Campingplätze, auf denen alles vorhanden ist, von der Waschmaschine über den Bügelautomaten bis zum Supermarkt mit Champagner, frischen Langusten und viersprachigen Ansichtskarten. Das einzige, was man zu diesen Etablissements mitbringen muß, ist das eigene Zimmer samt Einrichtung. Die Übernachtung auf einem dieser Super-Komfort-Grand-Hotel-Camps ist allerdings nicht viel billiger als ein Bett im Hotel.
»Achte mal ein bißchen auf die Autokennzeichen«, empfahl Steffi, als wir die dritte Anlage besichtigten.
»Wenn viele Deutsche da sind, ist der Platz okay.«
»Genau da will ich aber nicht hin!«
»Ist ja nur für zwei Nächte. Hauptsache, die
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