Werden sie denn nie erwachsen?
und Brause. Wenigstens war sie kalt. Und weil der Ober ein Herz für Tiere hatte, stellte er den Hunden sogar unaufgefordert eine Schüssel mit Wasser hin. Der späteren Rechnung nach hätte es allerdings Champagner sein müssen.
Mit einem frischen Baguette (unser Vorrat war auf maximal zwölf Zentimeter Länge geschrumpft), Milch und einem Körbchen Erdbeeren machten wir uns auf den Rückweg. Besser gesagt, wir hatten es vor!
»Weißt du, wo es langgeht?«
Überflüssige Frage, natürlich wußte ich es nicht. Kreuz und quer waren wir durch kleine Gassen spaziert, hatten malerische alte Häuser bewundert, hatten an einem Brunnen die Hunde getränkt, waren links abgebogen und wieder rechts und hatten keinen Moment lang auf den Weg geachtet.
»Jetzt weiß ich, weshalb Theseus mit ’m Stück Strippe ins Labyrinth gezogen ist«, seufzte Steffi, als sie das Haus mit dem ulkigen Giebel wiedererkannt hatte, bei dem wir vorhin stehengeblieben waren, und das dann doch ein anderes war und bloß so ähnlich aussah. »Die Karre finden wir nie wieder! Ich weiß ja nicht mal die Richtung.«
»Kannst du dich an den Straßennamen erinnern?«
»Nee. Oder doch. Ich glaube, es hieß Place de …« Sie stockte.
»Und weiter?«
»Weiß ich nicht mehr. Irgendwas langes.«
»Vielleicht Place de la République?« Den gibt es in fast jeder französischen Stadt.
»Bestimmt nicht, den Namen hätte ich ja übersetzen können. Der andere war viel länger.«
Das half uns auch nicht weiter. Wer weiß, wie viele Plätze es in Arles gab, und alle hatten einen Namen.
Plötzlich fiel mir etwas ein: »Der Fluß! Wir haben doch oberhalb vom Fluß geparkt. Jetzt müssen wir bloß noch die Rhône finden.«
Die erste französisch aussehende Dame sprach Englisch und war nicht von hier. Der Herr mit typisch französischer Baskenmütze begriff nicht, was ich von ihm wollte, doch das junge Pärchen konnte uns helfen. Es kam aus Deutschland, wandelte schon seit einigen Tagen auf den Spuren van Goghs und hatte sogar das Irrenhaus besichtigt. Nur von außen natürlich, es sei ja ein Kloster und leider immer noch sehr weitabgewandt, Besuchern nicht zugänglich, aber trotzdem sollte man …
»Das wollen wir ja auch, wir müssen nur erst unser Auto finden. Wo, bitte, geht’s zum Fluß?« fragte Steffi ungeduldig.
Es war gar nicht weit, doch daß wir mindestens einen Kilometer zu weit nördlich das Ufer erreichten, verlängerte unseren Spaziergang um eine weitere Viertelstunde. Und danach dauerte es noch mal eine kleine Ewigkeit, bis wir endlich die Stadt hinter uns gelassen hatten.
»Ich kann mir nicht helfen, Steffi, aber einen Urlaub habe ich mir etwas anders vorgestellt. Mir schwebte eine Blümchenwiese vor, ein murmelndes Bächlein, dolce far niente auf der Liege – und was haben wir? Großstadtstraßen zur Rush-hour.«
»Meinste, ich hab nicht die Nase voll? Du warst es doch, die unbedingt nach Arles wollte! Ist doch hirnrissig, vor dem Gedränge in der Großstadt zu fliehen, um sich in jeder fremden Großstadt gleich wieder ins Gedränge zu stürzen! Wir suchen uns jetzt einen Stellplatz, und morgen fahren wir ohne Aufenthalt durch bis Saintes-Maries-de-la-Mer.«
Diesmal weckte uns keine Kuh, sondern ein Trecker. In seliger Unkenntnis der Tatsache, daß in Frankreich Feldwege nicht wie bei uns vor einem Wäldchen enden oder sich durch Äcker schlängeln, sondern ausnahmslos zu einem Weingut oder auch mal zu einem abseits gelegenen Bauernhof führen, hatten wir neben einem Rapsfeld geparkt. Von dem Geschimpfe des Bauern verstand ich nur chemin privé, doch ich begriff sofort, daß wir schleunigst von seinem Privatweg verschwinden sollten.
Was auch verständlich war, denn wir versperrten ihm die Zufahrt. Die Teekanne konnte ich gerade noch retten, als sich Steffi im Nachthemd hinter das Steuer setzte und den Holperweg bis zur Straße entlangschaukelte, aber die Milchflasche kippte aus dem noch nicht arretierten Kühlschrank, gefolgt von Butterdose und Käseaufschnitt.
Im Bad klapperte es auch verdächtig. Zum Glück war außer dem arbeitswütigen Landmann noch kein Mensch unterwegs, wir konnten uns also in Ruhe anziehen und das mobile Heim vom Schlafwagen in den Wohnwagen verwandeln. Sogar der morgendliche Freiheitsdrang unserer Vierbeiner hielt sich in Grenzen. Sie hatten vom Fußboden Milch und Käse gefrühstückt, die Butter allerdings liegenlassen, und waren friedlich.
»Heute müssen wir auf einen Campingplatz«, sagte Steffi nach
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