Werden sie denn nie erwachsen?
sind vor ihm wieder da. Du schreibst einfach ein paar Briefe auf Vorrat, und Bettina steckt sie ein. Das kriege ich schon auf die Reihe.«
»Aber was ist, wenn er anruft?« gab Nicole zu bedenken.
»Dann war eben mal wieder die Leitung kaputt, wäre ja nicht zum erstenmal. Als die im Herbst die Röhren für das Erdgas gelegt haben, hatten sie ja auch die Telefonstrippe durchgehackt. Und wir haben es erst gar nicht gemerkt.«
»Das war aber bloß drei Tage lang und nicht drei Wochen.«
Denkpause.
»Dann hat uns eben die Post den Hahn zugedreht, weil du die letzte Rechnung nicht bezahlt hast«, schlug Nicki vor.
»Geht nicht, die wird abgebucht.«
Schließlich wurde es Katja zu dumm. »Ich weiß gar nicht, weshalb du solch ein Theater machst. Du verdienst doch dein eigenes Geld, also kannst du es auch ausgeben, wie du willst.«
»Darüber reden wir später noch mal, wenn du selber Familie hast. Und merke dir gleich eins für die Zukunft: Stecke nie Geld in etwas, das ißt oder gestrichen werden muß!«
Trotzdem hatten mir die Kinder Mut gemacht. Natürlich würde ich auch ohne Rolfs Segen in Urlaub fahren, doch mit wäre mir lieber. Ich mußte nur auf eine passende Gelegenheit zur Beichte warten.
Leider ergab sich keine. Wenn ich abends stöhnte, daß ich bereits dreimal Schnee geschippt und mir ganz bestimmt einen Schnupfen eingehandelt hätte, erklärte Rolf – gerade dem angenehm durchwärmten Auto entstiegen –, ein bißchen Arbeit in frischer Luft sei gesund, und ich hätte sowieso viel zuwenig Bewegung.
Austoben könnte ich mich auch in Äquatornähe. Da käme die Luft sogar an meinen ganzen Körper, erwiderte ich patzig.
Auch mein Interesse für Badeanzüge hatte nicht die erwünschte Resonanz. Als ich ihn zum Ankauf eines Jogginganzugs begleiten mußte, der nach seiner Ansicht zum Outfit eines jeden Kurgastes gehörte, inspizierte ich den Ständer für Badebekleidung.
»Meinst du nicht, daß du das angemessene Alter für Bikinis etwas überschritten hast?« sagte mein Mann mitleidlos, während er sich in einer violetten Stretchhose mit grünen Applikationen vor dem Spiegel drehte.
»Zieh sofort den Strampelanzug aus! Dafür bist du zwanzig Jahre zu alt!« konterte ich, worauf Rolf beleidigt in die Kabine ging und ich mir am liebsten auf die Zunge gebissen hätte. Die Möglichkeit, so ganz nebenbei über meine Urlaubspläne zu sprechen, hatte ich mal wieder gründlich verpatzt. Und nur noch eine knappe Woche Zeit!
Die Bombe platzte ohne mein Zutun. Der Briefträger brachte sie in Form von drei Flugtickets ausgerechnet in dem Augenblick, als ich im Keller die Waschmaschine fütterte. Einschreiben muß man quittieren.
»Und? Wohin goht’s denn?« fragte Herr Künzel neugierig, denn er trägt seit Jahrzehnten in unserem Viertel die Post aus, kennt alles und jeden und kondoliert bereits wortreich, noch ehe er einem den Umschlag mit dem schwarzen Rand aushändigt. Folglich war ihm auch der Absender dieses eingeschriebenen Briefes nicht entgangen. »Ganget Se ins Schifahre?«
»Ach wo, das sind nur Prospekte«, keuchte ich atemlos, denn ich war die zwölf Stufen im Eiltempo hinaufgestürmt, nahm den Brief und wollte verschwinden, doch Rolf hielt mich zurück. »Das müssen aber teure Prospekte sein.«
»Sind es auch. Sie haben einige tausend Mark gekostet!«
Jetzt war mir alles egal, irgendwann mußte ich ja mit der Sprache heraus. Der enttäuschte Herr Künzel wurde verabschiedet, und dann stand ich wie eine Schülerin, die beim Abschreiben erwischt worden war, vor meinem Herrn und Gebieter.
»Raus damit! Was ist jetzt wirklich in dem Kuvert?«
»Mach’s doch auf, dann siehst du es ja.«
»Ich öffne keine fremden Briefe.«
Also schlitzte ich den Umschlag auf und schüttelte seinen Inhalt auf den Tisch. Außer den Tickets fanden sich noch Hinweise über Zollvorschriften und Gesundheitsvorsorge sowie ein kleines Büchlein, das Wissenswertes über Kenia versprach. Danach griff Rolf zuerst.
»Oben ohne ist verboten«, sagte er nach kurzem Blättern, »und auf intimere Bekanntschaften solltest du ebenfalls verzichten, weil die Aidserkrankungen, prozentual gesehen, gerade in Kenia am weitesten verbreitet sind.«
»Ist das
alles
?« stotterte ich verblüfft. »Kein Wutanfall, kein ›Warum hast du mich nicht erst mal gefragt‹, keine Vorwürfe?«
»Weshalb sollte ich? Du bist doch emanzipiert genug, auch mal allein zu verreisen.« Er lächelte süffisant. »Nur manchmal habe ich bezweifelt,
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