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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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manchmal doch recht praktisch veranlagte Katja vor, und so beguckten wir uns während der Rückfahrt doch noch den Dhauhafen, den Gemüsemarkt, das Fort Jesus und sogar die Hauptpost, auf die die Stadtväter offenbar besonders stolz sind, obwohl sie kaum anders aussieht als die Hauptpostämter in der ganzen Welt.
    Sogar unser Roomboy profitierte von dem Mombasa-Trip, denn er bekam noch am selben Tag ein Paar fast neuer Ledersandalen geschenkt. Nicki wartete tagelang, daß sich das aparte Streifenmuster auf ihren Waden wieder halbwegs der übrigen bronzebraunen Hautfärbung anpassen würde.
    Mein kulturelles Soll hatte ich erfüllt, jetzt konnte ich endlich richtig Urlaub machen! Die Mädchen hatten sich einer Gruppe Gleichaltriger angeschlossen, ich sah sie nur noch zu den Mahlzeiten und um siebzehn Uhr beim täglichen Volleyballspiel. Obwohl die Mannschaften jedesmal neu zusammengestellt wurden, gehörten die Zwillinge grundsätzlich zu den Verlierern und forderten deshalb meine Anwesenheit zwecks psychologischer Unterstützung, in erster Linie jedoch zum Heranschaffen kalter Getränke.
    Mit der Clique fuhren sie auch zur Schlangenfarm, ein Ziel, das mich ohnehin nicht gereizt hatte, beteiligten sich an der von einem Einheimischen angeführten Radtour »Quer durch den Busch« mit nachfolgendem tagelangem Muskelkater, segelten, schnorchelten und waren überhaupt entnervend aktiv.
    »Du könntest auch ruhig mal ein paar hundert Meter am Strand entlangjoggen, statt ewig auf deiner Liege zu grillen«, sagte Katja vorwurfsvoll, als sie an mir vorbei Richtung Meer trabte, »du glaubst gar nicht, wie herrlich hinterher das Schwimmen ist. Sei doch nicht so entsetzlich indolent.«
    »Wo hast du denn dieses Wort her?« staunte ich. »Und sogar richtig angewandt. Übrigens gefällt es mir, es wertet meine Faulheit auf.« Das fehlte gerade noch, bei fast senkrecht stehender Sonne im Dauerlauf durch den glühendheißen Sand zu spurten. »Wenn ich mal jemanden beim Joggen lächeln sehe, probiere ich es auch«, versprach ich.
    Dabei hatte ich nicht das geringste Bedürfnis, mich sportlich zu betätigen, und als ich es dann doch tat, geschah es unfreiwillig. Von der zweiten Woche an befand ich mich nämlich ständig auf der Flucht.
    Schon bei unserer Ankunft war uns die ätherisch wirkende Dame um die Vierzig aufgefallen, die, angetan mit einem bodenlangen Wallegewand und einem überdimensionalen Sonnenhut, in der Halle saß und an einem Filetdeckchen häkelte. Außer ihrem Gesicht war kein Körperteil unbedeckt geblieben. Sogar die Hände steckten in dünnen weißen Handschuhen.
    »Vielleicht hat sie eine Sonnen-Allergie«, hatte Nicki vermutet, »aber hier drinnen könnte sie doch ihren Deckel absetzen.«
    »Glaube ich nicht«, hatte Katja widersprochen. »Wer die Sonne nicht verträgt, fährt nicht an den Äquator. Die hat ganz einfach ’n Sparren locker.«
    In den folgenden Tagen verstärkte sich dieser Eindruck.
    Niemals haben wir diese Dame woanders gesichtet als in den überdachten Gebäuden, und niemals beschäftigte sie sich mit etwas anderem als ihrem Häkeldeckchen. Daß es nicht größer wurde, wunderte uns nun auch nicht mehr.
    Von den nachthemdähnlichen Gewändern mußte sie einen ganzen Koffer voll mitgebracht haben, lediglich der Hut blieb immer derselbe. Sie trug ihn sogar während der Mahlzeiten.
    Eines Morgens, als ich an der Rezeption Briefmarken holte, sprach sie mich an. »Sind Sie allein hier?«
    »Keineswegs. Ich habe meine beiden Jüngsten mitgebracht.«
    »Ach«, sagte sie und häkelte im Stehen weiter. Höflich wartete ich auf die nächste Frage. Es kam keine mehr.
    Also murmelte ich etwas von »Schönen Tag noch« oder so ähnlich und ging.
    Beim Five o’clock tea, der merkwürdigerweise immer um vier Uhr serviert wurde und den ich meistens mit den unerläßlichen Schreibarbeiten verband (wer hat eigentlich die Pflichtübung des Ansichtskartenverschickens erfunden???), tauchte jene Dame an meinem Tisch auf und setzte sich. »Wo sind Ihre Kinder?«
    Ich schraubte den Füller zu und sah mich um.
    »Wahrscheinlich drüben am Pool bei dem anderen Jungvolk. Sie werden wohl gerade beratschlagen, was sie heute abend wieder anstellen können.«
    Am Morgen hatte es nämlich einen kleinen Aufstand gegeben, weil die überlebensgroßen, aus Holz geschnitzten Massai-Figuren, Zierde der auf einheimische Folklore getrimmten Buschbar, ihrer farbenprächtigen Kostüme beraubt worden waren und sich in schamloser

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