Werden sie denn nie erwachsen?
Aquarell wieder zurecht, das bei Saschas nachhaltigem Abgang etwas in Schieflage gekommen war, und meinte beruhigend:
»Leute, keep cool and get lässig. Nicht jedes Luftschloß ist auf Sand gebaut. Sascha weiß zwar noch nicht, wo es langgeht – das aber ganz genau.«
Seine Euphorie bekam den ersten Dämpfer, als er sich mit mehreren Maklern in Verbindung setzte. In welchem Jahrzehnt er denn lebe, wurde er gefragt, für maximal sechshundert Mark Miete könne er bestenfalls ein Einzimmerapartment erwarten, und für achtzig Quadratmeter müsse er mindestens das Doppelte hinblättern.
»Dafür kriege ich in Kapstadt ein ganzes Haus, sogar mit Swimmingpool«, sagte er verblüfft.
»Dann ziehen Sie doch nach Kapstadt«, empfahl der Makler, versprach jedoch, sich umzuhören, und meldete sich nie wieder. Auch von den anderen Herren hörten wir nichts mehr, nachdem sie hatten einsehen müssen, daß Sascha weder an einem Penthouse (1800 DM) noch an einer Maisonette (1600 DM) interessiert war. Um seinen Frust abzubauen, flog er ein paar Tage nach England in der Hoffnung, zwischenzeitlich würde ein Wunder geschehen. Es geschah natürlich keins, obwohl ich alle mir bekannten einflußreichen Personen einschließlich des Herrn vom städtischen Bauhof und der größten Klatschbase des Ortes um Hilfe gebeten hatte.
Dabei lief bereits der Countdown, Noch zehn Tage bis zur Hochzeit!
Sven hatte sich schon ausgeklinkt. »Am Samstag geht mein Flieger. Das Hotel auf Kreta ist seit März gebucht, der Urlaub eingereicht – soll ich den vielleicht wegen der blöden Heirat sausenlassen? Kommt nicht in Frage. Das wird bestimmt nicht die letzte Hochzeit in dieser Familie sein. Ich werde also noch öfter das zweifelhafte Vergnügen haben, heulenden Müttern mein Taschentuch zu reichen. Außerdem besitze ich gar keinen dunklen Anzug.«
Womit er ein Thema angeschnitten hatte, dem die Zwillinge bereits mehrere schlaflose Nächte zu verdanken hatten.
»Wenn Vicky glaubt, daß ich mich in so einen pfirsichfarbenen Brautjungfernfummel wickle, hat sie sich aber geschnitten«, erklärte Katja rundheraus, »die Farbe steht mir nämlich nicht.«
»Wir sind nicht bei Königs«, hatte Sascha ihre Befürchtungen zerstreut, »Brautjungfern brauchen wir nicht. Vickys Patenkind streut Blumen, das genügt.«
»Also können wir anziehen, was wir wollen?«
»Ja, sofern es nicht gerade dein Biene-Maja-Aufzug ist.«
Zu irgendeinem Schulfest hatte sich Katja eine Kombination zugelegt, die aus einer schwarzen wadenlangen Hose bestanden hatte sowie einem quergestreiften gelbschwarzen Oberteil. Es hatte grauenvoll ausgesehen, und meines Wissens hat sie es nach jenem Abend auch nie wieder getragen.
Einen erfolglosen Streifzug durch Heilbronns einschlägige Geschäfte hatten wir schon hinter uns, die nächste Station hieß Mannheim. Ich hasse es, gezielt etwas kaufen zu müssen, weil ich dann grundsätzlich nichts Vernünftiges finde. Vor vier Jahren nun war Großgeblümtes en vogue, und so wurde ich in alle möglichen Farbschattierungen gesteckt, angefangen bei violetten Orchideen mit altrosa Schleierkraut bis zu – der Clou der botanischen Kreationen! – weißen Seerosen auf hellgrünem Untergrund. Irgendwie erinnerten mich diese ganzen Kleider an die Sofakissen meiner Großmutter. »Ihr müßt doch zugeben, daß ich in diesen Gewändern ausgesprochen lächerlich aussehe«, wandte ich mich an die verstohlen kichernden Zwillinge, »ich kann so was einfach nicht tragen!«
»Aber Mami«, versicherte Nicole mit mühsam unterdrücktem Lachen, »weißt du denn nicht, daß lächerlich aussehen in diesem Jahr Mode ist?«
Mehr durch Zufall als durch gezieltes Suchen fand ich ein Jackenkleid, das sogar im Preis heruntergesetzt war, weil es sich um ein Vorjahresmodell handelte.
»Aber gnädige Frau«, sagte die Verkäuferin erschrocken, »zu einer Hochzeit sollten Sie wirklich etwas tragen, das dem jetzigen Modetrend entspricht.«
»Na schön, dann zeigen Sie mir noch eine Blümchenbluse.«
Bei den Mädchen war die Sache wesentlich einfacher.
Nicole entschied sich für etwas beinahe Schulterfreies mit Bolerojäckchen (»aber bloß in der Kirche!«), und Katja verliebte sich in ein hochgeschlossenes weißes Kleid mit dezentem Rückenausschnitt. Zu Hause machte uns Sascha darauf aufmerksam, daß jungfräuliches Weiß eigentlich nur der Braut zustehe. »Das könnte eventuell zu Verwechslungen führen.«
»Jungfräuliches Weiß! Du gestattest doch, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher