Werden sie denn nie erwachsen?
mal kurz lache. Wie lange, sagtest du, hast du mit Vicky eine Kabine geteilt?« Doch sie erklärte sich bereit, die beanstandete Kreation durch einen roten Gürtel, rote Ohrringe und ein entsprechend farbiges Band im Pferdeschwanz zu neutralisieren.
Noch eine Woche bis zur Hochzeit!
Telefonisch orderte Sascha einen Kleintransporter.
Zusammen mit Steffi, die davon noch gar nichts ahnte, wollte er auf dem Landweg nach England fahren, um Vickys Habseligkeiten und nicht zuletzt die zu erwartenden Hochzeitsgeschenke abtransportieren zu können.
»Wenn wir zu zweit sind und uns am Steuer ablösen, schaffen wir das in gut einem Tag.«
»Und zurück?«
»Kein Problem. Vicky fliegt mit euch, und wir fahren wieder Route nationale.«
Nicht nur die Zwillinge hatten darauf bestanden, daß unser Aufenthalt in merry old England ein paar Tage länger dauern sollte, als man gemeinhin für eine Hochzeit veranschlagt. Sie wollten London sehen (ich auch), wollten in einem richtigen Pub ein richtiges Glas Ale trinken (ich auch), wollten zum Buckingham-Palast (ich nicht) und in Soho chinesisch essen (ich auch). Sogar Sascha hatte gemeint, daß wir ruhig drei oder vier Tage dranhängen sollten. »Ich kenne London jetzt schon wie meine Westentasche, ihr könnt euch also getrost mir anvertrauen.«
Nächtigen würden wir in einem Bed-and-Breakfast-House, also einer dieser Familienpensionen, die es nach seiner Behauptung an so ziemlich jeder Straßenecke geben sollte. »Vicky hat die am nächsten gelegene ausgesucht, keine fünf Minuten von Janets Haus entfernt. Ihr könnt bequem zu Fuß gehen.«
»Apropos gehen. Wer holt uns eigentlich vom Flugplatz ab? Oder müssen wir von da auch laufen?«
»Ja, weißt du«, begann mein Sohn etwas zögernd, »das ist noch nicht ganz geklärt. Leigh und Grant arbeiten ja noch, und Gaynor hat genug mit den letzten Vorbereitungen zu tun. Janet fällt sowieso aus, die hat keinen Führerschein.«
Zwangsläufig hatte ich mich ein bißchen mit den Familienverhältnissen meiner künftigen Schwiegertochter vertraut machen müssen, wußte also, daß Grant der ältere Bruder von Vicky war und Gaynor ihre Schwester, verheiratet mit einem Leigh. Einen Vater gab es nicht mehr.
»Irgendwie kriegen wir das schon auf die Reihe«, beruhigte mich Sascha, »abgeholt werdet ihr auf jeden Fall.«.
Noch fünf Tage bis zur Hochzeit!
»Am 10. Juni müssen wir unbedingt zurück sein«, informierte mich Katja, »da haben wir nämlich Abi-Feier.«
»Bis dahin werden wir vom englischen Essen sowieso die Nase voll haben und froh sein, wenn Mami wieder kocht«, prophezeite Nicole. »Was meint ihr, müssen wir Vicky zur Abschlußfeier mitnehmen?«
»Selbstverständlich. Dann ist sie vollwertiges Familienmitglied, also nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, an offiziellen Veranstaltungen teilzunehmen«, sagte ich salbungsvoll.
»Na ja, vielleicht hat Sascha gar keine Lust dazu, der hat sich doch um so was immer rumgedrückt.« Klang Katjas Stimme nicht ein bißchen zu hoffnungsvoll?
Noch vier Tage bis zur Hochzeit!
Ein Anruf vom Krankenhaus. Ich könne meinen Mann abholen, es sei nichts Ernstes, man habe den Fuß vorsichtshalber in Gips gelegt. Der Knöchel sei etwas angesplittert, also erst mal nicht auftreten. In zwei Wochen sähe man weiter, und ob wir Gehstöcke hätten. Wenn nicht, bekäme er welche mit.
»Wie hat er denn das bloß geschafft?« seufzte Sascha, als er ins Auto stieg. »Er wollte doch nur einen Kasten Bier holen.«
Und genau der war ihm auf den Fuß gefallen. Wie, konnte der Patient nicht mehr rekonstruieren, eine Bananenschale sei schuld gewesen und die hohe Ladekante vom Wagen; ich sah aber nur das bis zum Knie aufgeschnittene Hosenbein, und das weckte bei mir sofort Assoziationen. Mit
dem
Klumpfuß würde Rolf in keinen Anzug passen. Und im Flugzeug würde er eine ganze Sitzreihe brauchen. Wir hatten jedoch nur
einen
Platz für ihn gebucht.
Die ganze Situation erinnerte mich an einen Tag vor ungefähr fünfzehn Jahren, als ich zum Klassentreffen nach Berlin fahren wollte. Der Koffer war schon gepackt, ich wartete nur noch auf Steffis Rückkehr von der Schule.
Statt ihrer stand plötzlich ihre Freundin vor der Tür, drückte mir Stefanies Mappe in die Hand und erklärte lakonisch: »Jetzt müßte sie eigentlich fertig sein, Armeingipsen dauert ja nicht so lange.«
Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwer muß etwas gegen meine gelegentlichen Kurzreisen haben!
»Nun wirst du wohl
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