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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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bumste es. »Aha, Papi ist aufgestanden. So ein Gipsbein hat auch Vorteile. Man wird wenigstens vorher gewarnt.«
    Für acht Uhr hatte ich einen Friseurtermin. Der dauerte bis zehn, weil ich mir ausnahmsweise eine professionelle Maniküre geleistet hatte. Bei der späteren Begutachtung im Spiegel hatte ich zum erstenmal den unangenehmen Verdacht, daß meine Haare doch nicht vorzeitig grau geworden waren. Die zugegebenermaßen sehr schicke Frisur ließ nämlich meine Falten deutlich zur Geltung kommen. Ach was, tröstete ich mich selber, ich habe eben eine sehr detailreiche Gesichtshaut. Schwiegermüttern steht sie zu.
    »Whouw!« sagte Nicki. »Schade, daß du das nie wieder so hinkriegst.«
    Sogar Rolf musterte mich anerkennend, meinte jedoch:
    »Jetzt wißt ihr wenigstens, weshalb die Friseure neuerdings alle Coiffeure heißen. Das ist französisch und bedeutet: Von nun an müssen Sie jede Woche wiederkommen, weil Sie es allein ja doch nicht können.«
    »Ja, ich weiß, Altwerden mit Anstand ist eine verdammt mühsame und teure Angelegenheit.«
    »Nimm dir ein Beispiel an mir«, erwiderte er lachend, »ich mach’s wie die Filmindustrie und nenne die mittleren Jahre ›Jugend – zweiter Teil‹.«
    »Du hast nur vergessen, daß Fortsetzungen selten an den Originalfilm heranreichen, es bleibt immer bloß bei einem mißglückten Versuch.« Das gelbe Hemd mit dem wilden Dschungelmuster war so einer.
    »Mami, hast du meinen Paß gesehen?« Oben wurden Schubkästen aufgezogen und wieder zugeschoben, Schranktüren knallten, irgendwas fiel runter, dazwischen gedämpftes Fluchen und die laut jammernd geäußerte Erkenntnis: »Als du hier noch saubergemacht hast, war immer alles da.«
    »Der Personalausweis genügt«, brüllte Nicki hinauf.
    »Den finde ich ja auch nicht.«
    Wir suchten zu dritt, stellten das halbe Zimmer auf den Kopf, durchwühlten sogar den Bücherschrank – nichts.
    Langsam wurde die Zeit knapp.
    Ein plötzliches Leuchten zog über Katjas Gesicht, sie holte die Schulmappe aus der hintersten Ecke ihres Kleiderschranks hervor und kippte sie aus. Und was kam zum Vorschein?
    »Für die Abi-Zeitung brauchten wir doch ein Foto von mir. Ich hatte aber keins, und da haben wir einfach das Bild aus dem Paß kopiert«, lautete die lapidare Erklärung.
    Punkt elf stand Frau Keks auf der Matte, unter dem Arm einen Kochtopf. »Ich habe schon mal ein bißchen vorgekocht.« Sie lüftete den Deckel. »Mag Ihr Mann Sauerbraten?«
    »Und wie!« Sofort kam Rolf aus dem Zimmer gehumpelt. »Ich bekomme bloß nie welchen, weil meine Frau den nicht richtig hinkriegt.«
    Stimmt, aber mußte er das gleich petzen?
    Ich zeigte Frau Keks noch, wo sie alles Notwendige finden würde, gab ihr einen Hausschlüssel und verbot ihr strikt, ihre hausfraulichen Ambitionen auch bei uns auszutoben. »Ich weiß ja, daß die Fenster dreckig sind, aber das können sie ruhig noch eine Woche länger bleiben.
    Und staubwischen müssen Sie auch nicht.«
    »Tu ich auch nicht. Dreck, den man nicht sieht, ist sauber.«
    So hatte ich das eigentlich noch nie betrachtet, doch diese Einstellung hatte etwas für sich. Mir war bisher immer nur aufgefallen, daß es zwei Arten von Staub gibt: den dunklen, der sich auf helle Möbel legt, und den hellen, den man auf dunklen Gegenständen findet. Allerdings hatte ich schon seit langem den Kampf gegen beide aufgegeben.
    »Nun machen Sie aber endlich, daß Sie wegkommen, sonst findet die Hochzeit doch noch ohne Sie statt.«
    Energisch schob sie uns zur Tür.
    »Die ist ja erst morgen.« In diesem Moment fiel mir ein, daß sich Sascha noch nicht gemeldet hatte. Er hatte sofort anrufen wollen, sobald er angekommen war, und das hätte nach seiner Berechnung allerspätestens um zehn Uhr sein sollen.
    »Vielleicht hat er ja doch noch in letzter Minute einen Bammel gekriegt und ist wieder auf der Rückfahrt«, unkte Katja.
    Daran glaubte ich nun nicht mehr, und mich beunruhigte zunehmend die Frage, wer uns denn am Flugplatz abholen würde und wie wir den Betreffenden finden sollten. Ich konnte mir ja schlecht ein Namensschild umhängen wie weiland auf der Fahrt in die Kinderlandverschickung.
    »Nehmen Sie Schirme mit!« rief uns Frau Keks hinterher, als wir schon auf dem Weg zur Garage waren.
    »Wozu denn? Wir haben doch herrliches Wetter.«
    »Aber Sie fahren nach England!«
    Nun hatten wir doch noch Handgepäck. Drei Regenschirme!
    Wir hätten uns ruhig mehr Zeit lassen können, denn der Abflug war um eine Stunde nach

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