Werden sie denn nie erwachsen?
heraus. Wer in England nicht kochen will oder kann, geht zum nächsten Takeaway und holt sich das, was er braucht. Das Angebot reicht von den berühmten Fish-and-Chips bis zu einem Komplettmenü mit fünf Gängen – alles ofenheiß in Warmhaltepackungen verstaut. Warum gibt es so was nicht bei uns?
Ich glaube, nicht nur wir waren erleichtert, als wir uns endlich mit Anstand verabschieden konnten. Sascha brachte uns noch zum Wagen und versprach, uns am nächsten Morgen so gegen halb zehn abzuholen. Janet habe ohnedies angedroht, ihn rauszuschmeißen, also würde er lieber freiwillig gehen und uns ein bißchen die Stadt zeigen.
»Vor allen Dingen eine Bank«, verlangte ich, »ohne Geld in der Tasche fühle ich mich nur als halber Mensch.
Das Taxi hat mich meine ganzen Devisen gekostet.«
»Waaas??? Das war doch schon bezahlt. Wieviel hast du denn noch gelöhnt?«
»Genau fünfzig Pfund!«
Er sah mich ungläubig an. »Das darf doch nicht wahr sein! Eine Fahrt vom Flugplatz hierher kostet nicht mehr als die Hälfte, das ist Festpreis. Na, laß mal, das Geld kriegste wieder, Vicky soll morgen bei dem Verein anrufen und die Sache klarstellen.«
Natürlich hatte Vicky am nächsten Tag andere Dinge im Kopf, und natürlich hatte Sascha keine Ahnung, mit wem Vicky den Transfer ausgehandelt hatte, und ebenso natürlich geriet die ganze Sache in Vergessenheit. Die Taxiquittung bekam der Steuerberater, der sie unter »steuermindernde Abzugsposten« verbuchte.
Es war noch gar nicht richtig dunkel, als wir endlich unsere Koffer ausgepackt und uns häuslich eingerichtet hatten. »Wir können doch jetzt noch nicht ins Bett gehen, wer kann denn um neun Uhr schlafen?« jammerte Katja.
»Laßt uns lieber noch ein bißchen bummeln.«
»Ohne Geld?« gab ich zu bedenken.
»Will jemand Tee?« fragte Nicole.
»Nein!!!« brüllten wir einstimmig.
»Schade, mir macht der Kocher so viel Spaß.«
Bevor wir uns darüber einigen konnten, was wir mit dem Rest des Abends anfangen sollten, war es tatsächlich dunkel geworden, und damit erlahmte auch Katjas Unternehmungsgeist. »Na schön, geh’n wir pennen!« Sie schaltete den Fernseher ein. »Is’ eigentlich wie zu Hause: essen, fernsehen, schlafen gehen. Warum sind wir überhaupt hergekommen?«
Noch siebzehn Stunden bis zur Hochzeit!
7
Gleich nach unserer Ankunft hatte uns Mrs. Hamilton gefragt, was wir denn zum Frühstück haben möchten. Nun hatte mir ein vielgereister Freund erzählt, daß man in England nur dann halbwegs gut essen könne, wenn man dreimal täglich frühstücke. Gedünstete Nierchen und gebackene Forellen sind allerdings nicht das, was mir um halb neun Uhr morgens vorschwebt, doch derartig Handfestes bekommt man sowieso nur im Dorchester-Hotel oder als Gast beim Landadel. Mehr aus Neugier denn aus Überzeugung hatten Steffi und ich »a typical English breakfast« bestellt. Die Zwillinge hatten sich für Toast und Marmelade entschieden, für Experimente am frühen Morgen sind sie nicht zu haben.
Der Frühstücksraum mußte wohl mal eine Art Gartenpavillon gewesen sein, jetzt führte ein mit gelbem Wellblech gedeckter Gang dorthin und täuschte strahlenden Sonnenschein vor. Dabei waren die Wolken über Nacht noch ein bißchen grauer und bedrohlicher geworden. Hochzeitswetter war das jedenfalls nicht. Es war im Gegenteil lausig kalt.
Das Frühstück kam. Es bestand aus zwei Scheiben kroßgebratenem Speck, der großartig schmeckte, zwei gummiartigen Spiegeleiern Typ Mikrowelle sowie drei fingerlangen, ins Hellgraue schimmernden Würstchen.
»Na, ich weiß nicht, sehr vertrauenerweckend sieht das aber nicht aus.« Vorsichtig schnitt Steffi einen Zentimeter Wurst ab und schob ihn sich in den Mund. »Das läßt sich gar nicht kauen, und schmecken tut’s nach lauwarmem Kartoffelbrei. Wenn du willst, Määm, kannst du meine auch noch haben.«
Ich wollte aber nicht. Um unsere Wirtin nicht restlos zu beleidigen, würgten wir uns die Eier hinein – zusammen mit dem Speck rutschten sie ganz gut – und schielten neidisch zu den Zwillingen, die genußvoll Orangenmarmelade auf ihren Toast löffelten.
Als Mrs. Hamilton die angeknabberten Würstchen abräumte, meinte sie kopfschüttelnd, sie verstünde gar nicht, weshalb ihre deutschen Gäste immer die sausages zurückgehen ließen. Ich hätte es ihr sagen können, aber ich bin ein höflicher Mensch. Für den nächsten Tag orderten wir vorsichtshalber Toast. Wegen der hervorragenden Konfitüre. Mrs. Hamilton war wieder
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