Werden sie denn nie erwachsen?
versöhnt, sie hatte die Marmelade nämlich selbst gekocht.
Sascha erwischte uns noch im Frühstückszimmer. So viel Pünktlichkeit war ich von ihm nicht gewöhnt. Bei Janet gehe alles drunter und drüber, sagte er, um sieben habe sie ihn schon aus dem Bett geworfen, dabei sei er erst um eins reingekommen, und wo denn Thomas und Jill seien.
»Woher sollen wir das wissen?«
»Die wohnen doch auch hier.«
Gesehen hatten wir sie allerdings noch nicht.
Auf der Suche nach einer geöffneten Bank – die ersten zwei hatten geschlossen – bummelten wir durch die Straßen von Southsea. Sascha informierte uns über den Tagesablauf. Die Trauung sollte um zwei Uhr stattfinden und etwa eine halbe Stunde dauern. Danach begann der Empfang in Janets Haus, und nach dem Abgang des letzten Gastes würde auch das Brautpaar verschwinden, um die Hochzeitssuite im Holiday-Inn zu beziehen, ein Geschenk von Vickys Bruder Grant.
»Und wann geht ihr zum Standesamt?«
»Überhaupt nicht, da kommt einer in die Kirche.«
Woraus ich schloß, daß englische Behördenangestellte keinen Beamtenstatus haben, denn von den hiesigen Staatsdienern würde man wohl keinen am geheiligten Samstagnachmittag zu einer Amtshandlung bewegen können. Nicht mal für einen Überstundenzuschlag.
Bankleute bestimmt auch nicht. In England arbeiten sie.
Jedenfalls einige. Ich bekam mein Geld getauscht, und kaum hatte ich es verstaut, da hatte Nicole schon einen Elektroladen ausfindig gemacht. »Jetzt kaufst du gleich einen Kettle.«
»Das hat noch Zeit«, sagte Sascha. »Ihr bleibt doch bis Mittwoch. Das Ding könnt ihr auch in London holen, da ist es sogar billiger.«
»Das hat
keine
Zeit«, widersprach Nicole. »Wer weiß, ob Määm bis dahin nicht schon alles ausgegeben hat.«
Also kauften wir für umgerechnet dreiundsechzig Mark einen Kettle und bekamen als Bonus einen kleinen Reisefön dazu. »Das ist hier so üblich«, sagte Sascha. »Als Vicky unseren Mikrowellenherd gekauft hat, kriegte sie die Kaffeemaschine gratis.«
Es gibt in England durchaus Sitten und Gebräuche, die man sofort nach Deutschland exportieren sollte.
Gegen elf wurde Sascha unruhig. »Ich glaube, wir sollten allmählich zurückgehen. Ihr müßt euch noch umziehen, und ich brauche auch ’ne Weile, bis ich mich in Schale geschmissen habe.«
»Wie gedenkst du vor den Altar zu treten? Im Cut?«
spöttelte Katja. »So richtig mit steifem Kragen und Seidenplastron?«
»Quatsch! Ich habe mir in Hongkong einen Anzug machen lassen.«
»Aha, Billiglohnland. Hoffentlich sieht man’s nicht allzusehr.«
Man sah es nicht! Als wir eine Stunde später das Brauthaus (sagt man so?) betraten – auf dem Weg dorthin war uns so manch verwunderter Blick gefolgt, denn die normalerweise beturnschuhten Mädchen hatten gewisse Schwierigkeiten mit ihren halbhohen Absätzen –, kam uns Sascha schon entgegen. »Ich brauche eine Mutter! Irgendeine, welche, ist mir egal. Der Knopf ist abgerissen.«
Gleichzeitig betrachtete er uns von oben bis unten, um dann befriedigt festzustellen: »Na ja, man kann sich mit euch zeigen.«
»Mit dir aber auch«, sagte Katja zur allgemeinen Verblüffung, schwächte ihr Kompliment jedoch sofort wieder ab:
»Vielleicht liegt das auch nur daran, weil ich dich noch nie in einem Anzug gesehen habe. Wozu hast du dir das hier umgewürgt?« Sie deutete auf den seidenen Kummerbund. »Damit du den Bauch nicht dauernd einziehen mußt?«
Sascha ging gar nicht darauf ein. Er drückte mir das Jackett in die Hand und schob mich ins Wohnzimmer.
»Hier ist der Knopf, und irgendwo hinterm Femseher steht der Nähkasten. Aber auf Stiel nähen oder wie das heißt, sonst kriege ich ihn nicht zu.«
Janet und ihre Hilfstruppen mußten am vergangenen Abend noch Schwerarbeit geleistet haben. Das Zimmer war völlig umgekrempelt worden, alles, was nicht zu Sitzgelegenheiten umfunktioniert werden konnte, war, der Himmel weiß wohin, abtransportiert und durch Sessel und Stühle ersetzt worden, dazwischen standen kleine Beistelltische. Im Nebenraum wartete das kalte Büfett, gekrönt von einer dreistöckigen Hochzeitstorte.
»Sogar frische Erdbeeren gibt es, Krabbensalat und Hummermayonnaise, und alles ganz toll dekoriert«, hatte Nicole nach einer flüchtigen Inspektion herausgefunden.
»Das mußt du dir unbedingt ansehen. Wann bist du denn mit dem dämlichen Knopf fertig?«
Das wollte auch Sascha wissen. Ungeduldig trabte er auf und ab, zupfte an seiner Smokingschleife (»Sitzt sie immer
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