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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Ohrringen.«
    Erst jetzt fiel mir auf, daß wir alle diese kleinen Ansteckblümchen trugen. Ob das eine Art Erkennungszeichen war?
    »Laß sie wenigstens noch bis zu Hause dran«, bat Sascha, »sie sind nämlich ein Zeichen, daß ihr zur Familie gehört.«
    Das schien sowieso schon jeder zu wissen. Nur sind Engländer bekanntlich taktvolle und disziplinierte Menschen, also starrten sie uns nicht direkt an, doch ich spürte ihre verstohlenen Blicke ganz genau. Besonders im Rücken.
    Die Tür öffnete sich, ein Brautpaar trat heraus, ein Pfarrer, dann die Hochzeitsgesellschaft. Einen Augenblick lang ließ sich nicht feststellen, welche Gäste zu welchem Paar gehörten, aber das Durcheinander löste sich schnell auf. Die bereits Abgefertigten drifteten nach links in den Kirchgarten, wo schon der Fotograf wartete, wir anderen schritten gemessen durch das Portal. Offenbar zu früh, denn zwei Frauen waren damit beschäftigt, in Windeseile den gelben Blumenschmuck gegen rosa Blüten auszuwechseln.
    »Warum denn das?« fragte ich Sascha leise. »Die Blumen sind doch noch ganz frisch.«
    »Ist egal, die Dekoration muß man so oder so bezahlen.
    Vicky wollte Rosa, also kriegt sie Rosa.«
    »Finde ich sehr unökonomisch. Was geschieht denn mit den ausrangierten Blumen?«
    »Keine Ahnung, Friedhof, Altenheim – irgendwo werden sie schon landen.«
    »Mich würde es nicht wundern, wenn du sie morgen an einer Straßenecke im Wassereimer wiederfindest, pro Strauß ein Pfund«, lästerte Katja. »Für ’n Friedhof sind sie viel zu schade, und die Toten haben sowieso nichts mehr davon.«
    Als das letzte rosa Sträußchen an der letzten Kirchenbank hing, durften wir uns hinsetzen. »Natürlich mitten aufm Präsentierteller«, meckerte Nicole, nachdem uns der Kirchendiener in die erste Reihe gewinkt hatte. Da saßen wir nun wie die Orgelpfeifen, erst Janet, dann ich, nebendran die Mädchen.
    »Sascha ist viel schlimmer dran.« Verstohlen deutete Stefanie auf die gegenüberliegende, nur durch den Mittelgang getrennte Bank. Da hockte mein Sohn und starrte angestrengt auf seine blankpolierten Schuhspitzen.
    Thomas, neben ihm, half dabei.
    Wenn man ganz vorne sitzt, kann man nicht nach hinten gucken, das gehört sich nicht. So wußte ich noch immer nicht, für welches der drei mitgebrachten Kleider sich Mel entschieden hatte, vermutlich für das pfirsichfarbene, es hatte ihr am besten gestanden. Einen passenden Hut hatte sie ebenfalls dabeigehabt. Sogar Tönungscreme für die Beine, weil die noch nicht braun genug waren. Vickys Freundin Mel war die einzige gewesen, mit der ich mich gestern längere Zeit unterhalten hatte. Sie hatte keinerlei Dialekteinschlag und darüber hinaus schnell mitbekommen, daß ich sie recht gut verstand, wenn sie langsam sprach. Das allerdings war diesem Temperamentsbündel schwergefallen.
    Ein Mann in schwarzem Anzug schritt gemächlich durch den Mittelgang. Der Pfarrer? Nein, nur der Organist. Er nahm am Harmonium Platz und begann zu präludieren.
    Zehn Minuten später präludierte er immer noch. Leichte Unruhe machte sich breit. Wo blieb die Braut?
    Thomas eilte zur Tür, guckte hinaus, kam schulterzuckend zurück. Nichts zu sehen. Der Pfarrer war auch noch nicht da. Leigh, gestern abend noch im Umgang mit Saschas Videokamera unterwiesen, hatte bereits die einzelnen Bankreihen rauf- und runtergefilmt und war jetzt bei den Kirchenfenstern angekommen. Den Altar hatte er auch schon von allen Seiten drauf.
    Endlich Geräusche vor der Tür. Der Organist brach sein einlullendes Spiel ab und begann mit Lohengrin. Wir standen alle auf … und setzten uns wieder. Es war nur der Kirchendiener. Ohne Braut. Er tuschelte mit dem Organisten, der nickte, und dann warteten wir weiter.
    Plötzlich wurde das Portal weit geöffnet, der Pfarrer schritt hindurch, dann Gaynor mit dem Blumenmädchen an der Hand, und unter den Klängen von Wagners Hochzeitsmarsch erschien nun tatsächlich die Braut. Am Arm ihres Bruders, der eine ausgesprochen verbiesterte Miene zur Schau trug, schritt sie langsam zum Altar vor, und ich mußte mich schon sehr täuschen, wenn es um ihre Mundwinkel nicht verräterisch zuckte. Vor Lachen. Was war da draußen bloß passiert?
    Vicky sah zauberhaft aus. Heimlich beobachtete ich Sascha. Anfangs hatte er stur geradeaus gesehen, wie es wohl vorgeschrieben war, aber dann siegte die Neugier. Er drehte sich um und bekam ganz große Augen. Offenbar hatte er eine so traumhaft schöne Braut nicht erwartet.
    Da

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