Werden sie denn nie erwachsen?
noch grade?«), zerrte an den Manschettenknöpfen und benahm sich genau so, wie sich ein Bräutigam kurz vor dem entscheidenden Moment zu benehmen hatte.
»Such mal eine Schere! Wenn ich den Faden abbeiße, hast du Lippenstift am Jackett.« Ein Paradebeispiel meiner Nähkünste war diese Arbeit nicht, aber sie würde den Tag mit Sicherheit überdauern. Vorsichtshalber hatte ich die Nähseide vierfach genommen.
»Eine Schere finde ich nicht, tut’s auch ein Küchenmesser?« Ich half ihm noch in die Jacke, dann endlich konnte ich meinen Sohn in voller Montur bewundern. Doch, er sah fabelhaft aus! Der dunkelgraue Seidenanzug mit den mattglänzenden schwarzen Revers saß wie eine Eins.
»Was hast du dafür bezahlt?«
»Weiß ich nicht mehr genau. Inklusive Bauchbinde und maßgefertigtem Hemd so um die vierhundert Dollar, Fliege Inbegriffen.«
»Ich glaube, nach Hongkong muß ich auch mal.«
Immer mehr würdig gekleidete Herren und in Raschelkleider gehüllte Damen füllten das Haus. Die meisten kannte ich bereits und kannte sie doch nicht wieder. Thomas zum Beispiel, der gestern noch in Jeans und schlampigem Pullover aufgekreuzt war und jetzt dunkelblau gewandet durch den Garten tigerte, halblaut seine Rede memorierend. Er war noch nervöser als Sascha. Zu den Aufgaben eines
best man
gehört nämlich außer der seelischen Unterstützung des Bräutigams noch die Aufbewahrung der Trauringe, später das laute Verlesen der Glückwunschtelegramme und vor dem Beginn der allgemeinen Freßorgie eine Ansprache, die erstens nicht zu lang und zweitens möglichst launig zu sein hat. Und das alles in englisch. Angeblich hatte Thomas schon in Salzburg an dem Konzept der Rede gebastelt, sie gestern noch mit Saschas Hilfe ausgefeilt, und nun lernte er sie auswendig. Die meisten Gänseblümchen hatte er schon plattgetrampelt.
Von der Braut war nichts zu sehen. Ab und zu hörte man von oben Gekicher, doch niemand hätte gewagt, auch nur die unterste Treppenstufe zu betreten. Janet offerierte Tee, den niemand wollte, bot Gehaltvolleres an, das ich ganz gern gewollt hätte, mich aber nicht traute, um nicht als Säuferin abgestempelt zu werden, und dann fuhr Leighs Auto vor, gefolgt von Grants BMW. »Die Mütter zuerst«, hieß es. Janet, deren blaues Kleid recht geschickt ihre problematische Figur kaschierte, steckte mir noch schnell rosa Blümchen ans Revers, dann saßen wir auch schon im Wagen. Genaugenommen hätten wir die paar hundert Meter zur Kirche recht gut zu Fuß gehen können, doch das wäre wohl nicht stilvoll genug gewesen. Als wir ausstiegen, begann es leicht zu tröpfeln. Wir flüchteten unter das Dach, denn rein konnten wir nicht, da war noch eine andere Hochzeit im Gange.
Grants Auto spuckte drei würdige Matronen aus, zwei ehemalige Tanzlehrerinnen von Vicky und ihre Patentante.
Alle drei fühlten sich bemüßigt, die Bräutigamsmutter zu unterhalten. Die verstand aber nur einen Bruchteil von dem, was sie heraussprudelten, lächelte verbindlich und betete im stillen, daß endlich jemand käme, der sie von diesem Triumvirat erlösen würde. Nicht mal Janet konnte mir helfen, sie mußte die sich so nach und nach einfindenden Gäste begrüßen.
Leigh baggerte die nächste Fuhre aus. Zum Glück war Thomas dabei. Endlich jemand, mit dem ich reden konnte.
Wir stellten uns ein bißchen abseits und beobachteten den Aufmarsch von Taft und Seide. Kräuselkrepp war auch darunter. Immer wieder klopfte Thomas verstohlen auf die Anzugtasche.
»Piekt da irgendwas?«
»Na, gar nix. I hob nur a Ongst, doß i die Ring verliar.«
Der nächste Transport lieferte Sascha und seine drei Schwestern ab. Sofort wurde der Bräutigam umlagert. Mit auf dem Rücken verschränkten Händen plauderte er bereitwillig mit diesem und jenem – an wen erinnerte mich diese verbindlich-lässige Haltung bloß? Richtig, an Prinz Philipp, der steht auch immer so da! – und schaffte es schließlich, sich zu uns vorzuarbeiten.
»Sag mal, kennst du die alle?« fragte Steffi.
»Ach was, nicht einen einzigen. Soviel ich weiß, sind ein paar Onkels von Vicky dabei, irgendwelche Kusinen und Freundinnen von Janet, der Rest ist Fußvolk, Nachbarn, Geschäftsleute und weiß der Geier, wer noch. Janet wohnt seit dreißig Jahren hier, die gehört zum Stadtbild.«
»Du, Sascha, kann ich das Gemüse hier nicht abmachen?« Mißmutig zupfte Katja an ihrem Blumengesteck herum. »Nichts gegen Rosa, aber das beißt sich nun wirklich mit dem roten Gürtel und den
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