Werden sie denn nie erwachsen?
Begrüßung, die sich fortsetzte, als Janet aus der Tür trat.
Sascha hatte mich darauf vorbereitet, daß seine Schwiegermutter »ein bißchen rundlich« sei, doch das war milde ausgedrückt. Janet war dick. Sehr dick sogar.
Darüber täuschten weder das geschmackvolle Kleid noch das dezente Make-up hinweg, aber die überströmende Herzlichkeit, mit der sie uns willkommen hieß, ließ alles andere nebensächlich erscheinen.
Im typisch englisch eingerichteten Wohnzimmer hing Sascha in einem Sessel, Beine auf einen Hocker gelegt, und schlief. Daneben hockte Stefanie, Teetasse auf den Knien, und starrte gelangweilt in den Fernseher. Sie sah müde aus. »Ich dachte schon, ihr kommt überhaupt nicht mehr. Sascha pennt seit Stunden, und ich langweile mich zu Tode. Die sind hier zwar alle ganz reizend, ich verstehe sie bloß so schlecht. Janet fragt dauernd, ob ich was haben will oder ob sie etwas für mich tun kann – ihr zuliebe trinke ich schon den vierten Topp Tee, Kekse kann ich nicht mehr sehen –, aber nun will ich endlich unter die Dusche und was anderes anziehen.«
»Wo sind denn unsere Koffer?«
»Noch im Wagen.«
»Wo steht der denn? Ich habe ihn nirgends gesehen.«
»Um die Ecke. Vorhin war hier alles vollgeparkt.«
Katja verpaßte dem Hocker einen Tritt, Saschas Beine fielen unsanft auf den Boden, er schreckte hoch, sah uns und murmelte: »Ach, ihr seid’s bloß?« Dann klappten seine Augenlider wieder zu.
»Jetzt reicht’s!« sagte ich wütend. »Steh gefälligst auf.
Schlafen kannst du heute nacht.«
»Eben nicht«, erwiderte er gähnend, »ich muß mit den Jungs in den Pub und mich besaufen. Angeblich feiert man hier auf diese Weise Abschied vom Junggesellenleben.«
Er rappelte sich aber doch auf und verschwand Richtung Küche. »Janet, can I have a coffee, please?«
Vicky kam mit einem Teetablett, gefolgt von einem ebenfalls blendend aussehenden jungen Mädchen, das uns als ihre beste Freundin Mel vorgestellt wurde. Wir tauschten die uns mittlerweile schon recht geläufigen Höflichkeitsfloskeln aus, dann ließen uns die beiden allein.
»Wie war denn die Fahrt?« fragte ich Steffi. »Hast du unterwegs ein bißchen schlafen können?«
»Ja, leider. Sonst wäre der Unfall bestimmt nicht passiert.«
»Wieso? Habt ihr ’n Crash gebaut?« Bisher hatte Nicole gelangweilt in ihrer Tasse gerührt, jetzt wurde sie hellhörig. »Wen habt ihr denn ins Jenseits befördert?«
»Niemanden. Schlimm war’s sowieso nicht, wir sind bloß mit einem französischen Milchauto kollidiert. Bei uns ist die Stoßstange hin und der rechte Scheinwerfer, dem anderen hat es den Kotflügel eingedellt. Normalerweise hätten wir die Adressen ausgetauscht, und den Rest hätten die Versicherungen erledigt. Aber der Kerl hat uns nicht verstanden und wir ihn nicht. Also hat er nach der Polizei gebrüllt und nicht eher Ruhe gegeben, bis wir hinter ihm hergefahren sind. In irgendeinem obskuren Kaff hat er den Bullen erst aus dem Bett klingeln müssen, dann wurde ein Protokoll aufgenommen, Sascha hat unterschrieben, obwohl er gar nicht wußte, was drinsteht, aber bis wir einen Dolmetscher aufgetrieben hätten, wären Stunden vergangen, und wir hätten überhaupt keine Fähre mehr gekriegt. Die erste war natürlich weg, und die zweite ausgebucht. Die dritte ging erst um elf.«
»Wann ist denn das gewesen?«
»Der Unfall? So gegen fünf Uhr morgens. Frag mich nicht, wo, es war ja stockdüster. Sascha hatte mich eine halbe Stunde vorher abgelöst, und ich bin erst aufgewacht, als es schon gescheppert hatte.«
»Wer war denn schuld?« forschte Katja.
»Sascha natürlich. Er behauptet zwar, er habe Vorfahrt gehabt, aber ich bin extra ein Stück zurückgelaufen und habe nirgends ein Schild gesehen. Der andere kam von rechts, also ist die Sache sonnenklar.«
»Das wird eine teure Geschichte.«
Steffi kicherte. »Das hat er nun von seiner Sparsamkeit! Ich durfte nie schneller als neunzig fahren, weil das angeblich die optimale Geschwindigkeit sei, um den geringsten Spritverbrauch zu erzielen. Hätte ich aufs Gas treten dürfen, wären wir mindestens eine Stunde früher an der bewußten Kreuzung gewesen. Da hat der Milchmann bestimmt noch gepennt. Ich bin ja bloß froh, daß
ich
nicht am Steuer gesessen habe, als es bumste«, schloß sie aufatmend.
Mein Sohn sah die Angelegenheit völlig anders.
Selbstverständlich sei er absolut schuldlos, der andere hätte aufpassen müssen, aber da bei Sascha immer nur zwei Meinungen
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