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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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»Du glaubst gar nicht, wie mir das Geschwafel da drin auf den Wecker geht. Eins weiß ich jedenfalls heute schon: Wenn ich mal heirate, dann nur im engsten Familienkreis in irgendeiner kleinen Kirche im Bayerischen Wald.«
    Es war fast dunkel, als wir zurückkamen, und beinahe wäre ich die drei Treppenstufen vor dem Haus hinaufgefallen. Ein kräftiger Arm hielt mich im letzten Augenblick fest. Der war aber auch das einzig Kräftige an der ganzen Gestalt, die zusammengesunken auf der untersten Stufe hockte, neben sich eine umgekippte Champagnerflasche, Grund meines Ausrutschers. »I’m so sorry, Madam, so sorry«, lallte die Gestalt, vergeblich bemüht, sich hochzurappeln. »You are such a nice lady, I’m so sorry …«
    »Trottel!« schimpfte Steffi und konnte gerade noch verhindern, daß Knobby Trottels Hosenbein bewässerte.
    Im Flur lief uns Thomas über den Weg. »Da draußen sitzt einer, voll wie zehntausend Mann, wer is’n das?«
    »Der sitzt do scho lang, ober i woaß a net, wer dös iiiß.«
    »Sollten wir nicht lieber Leigh oder Grant Bescheid sagen?«
    »Ja, dös sollt ma vielleicht tun«, sagte Thomas und begab sich auf die Suche. Sie mußte wohl ergebnislos verlaufen sein, denn zwei Stunden später war die Gestalt immer noch da, nur lag sie jetzt zwischen den Rosen.
    Drinnen war es leerer geworden. Auch das Büfett, wie Steffi sofort bemerkte. »Siehste, warum hast du mich vorhin nicht rangelassen? Jetzt ist kaum noch was da.« Sie hatte ja recht, doch als sie sich in das größte Getümmel hatte stürzen wollen, hatte ich sie zurückgehalten. »Wir sind Familie, also warte gefälligst!«
    »Warum? Darf die Familie keinen Hunger haben?«
    Wenigstens war noch genügend Hochzeitstorte da. Das feierliche Anschneiden hatten wir verpaßt, doch es war ja der Nachwelt auf Video erhalten geblieben. Ich habe es mir später noch oft genug ansehen müssen, und zwar immer dann, wenn wir Besuch bekamen.
    Wir kauten noch auf dem zuckersüßen Zeug herum, als Katja mit allen Anzeichen des Entsetzens auf mich zukam.
    »Jetzt hol uns bloß von diesem gräßlichen Weib weg! Sag einfach, dir sei schlecht geworden und wir müßten dich nach Hause bringen, oder laß dir was anderes einfallen.
    Hauptsache, du kannst uns loseisen.«
    »Von wem denn?«
    »Ach, Sascha hat sie uns angeschleppt, weil sie französisch spricht. Sie war mal Lehrerin in Oxford, wahrscheinlich schon zu Queen Marys Zeiten, und jetzt kriegen wir ihre ganze Lebensgeschichte zu hören. Im Augenblick ist sie mitten im zweiten Weltkrieg, wir haben also noch fünfundvierzig Jahre vor uns. Komm bloß schnell!«
    »Mach ich.« Doch zuerst suchte ich Sascha und fand ihn in der Küche. »Wen hast du den Zwillingen aufgehalst?«
    Erst wußte er gar nicht, von wem ich sprach, dann schien er sich zu erinnern. »Meinst du die Professorin?«
    »Keine Ahnung, ich kenne sie nicht. Aber wer immer das auch ist, die Mädchen werden sie nicht wieder los.«
    »Ich habe ihnen doch nur einen Gefallen tun wollen. Mit ihrem Englisch ist es ja nicht so weit her, und da dachte ich, sie würden sich lieber auf französisch unterhalten.
    Mrs. IchWeißnichtmehrwiesieheißt ist ja auch ganz angetan von den beiden.«
    »Möglich, aber jetzt sieh zu, daß du sie anderweitig beschäftigst, sonst rastet Katja noch völlig aus.«
    »Something wrong?« Janet hatte zwar nichts verstanden, aber bemerkt, daß irgend etwas nicht in Ordnung war.
    »Can I help you?«
    Mit dem Problem vertraut gemacht, schritt sie sofort zur Tat. »Excuse me, Dorothy.« Sie zog die vor den Zwillingen kniende, schon recht betagte Lady vom Fußboden hoch und brachte sie zu einer Gruppe ähnlich bejahrter Matronen.
    »Länger hätte ich das auch nicht ausgehalten«, stöhnte Nicki, »ich muß so dringend auf die Toilette.«
    »Warum biste nicht gegangen? Vielleicht wäre sie dann auch abgezittert.«
    »Ich wollte dich mit dieser Nervensäge nicht allein lassen.«
    Irgend etwas war mir an diesem Stilleben unangenehm aufgefallen, und jetzt wußte ich auch wieder, was. Wie konnten es zwei halbwüchsige Gören zulassen, daß eine um mindestens sechzig Jahre ältere Frau vor ihnen kniet?
    »Ist eigentlich keine von euch auf den Gedanken gekommen, aufzustehen und der Dame den Stuhl anzubieten?«
    »Natürlich!« Richtig empört war Katja. »Glaubst du denn, uns ist diese Herumrutscherei auf dem Boden nicht peinlich gewesen? Aber sie wollte ja nicht. Da kannste mal wieder sehen, die Engländer haben wirklich alle einen

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