Werden sie denn nie erwachsen?
stand er nun, der siebenundzwanzig Jahre lang mein Sohn gewesen war, und gehörte ab jetzt einer anderen. Ein eigenartiges Gefühl ist das schon, aber wahrscheinlich würde es noch schlimmer sein, eines der Mädchen weggeben zu müssen, denn Sascha war in den letzten Jahren ohnehin nur noch zu Stippvisiten nach Hause gekommen.
Eine Trauung in angelsächsischen Ländern verläuft etwas anders als hier bei uns, wo das Brautpaar auf die entscheidende Frage nur mit Ja zu antworten hat. In England muß man einen ganzen Sermon herunterspulen.
»Ich nehme dich, Mary Smith …« und so weiter. Sascha hatte seine Lektion gut gelernt, nur beim Namen kam er ins Schwimmen. »I, Sascha Sanders, take you, Victoria Laura, Lou-1-l-Louise Rashburn …«
Vielleicht hätte er doch nicht die drei Sherry vorher trinken sollen, raunte Janet mir zu, aber er sei doch so schrecklich nervös gewesen.
Als der Pfarrer, von der Nickelbrille bis zum Wohlstandsbäuchlein eine getreue Kopie von Nobby Blum, die beiden zu Mann und Frau erklärte, erklang draußen ein mächtiger Donnerschlag, der einzige, den wir an diesem Tag hörten.
Nun waren Sascha und Vicky rechtmäßig verheiratet.
Sie hatten die Ringe gewechselt, den Segensspruch empfangen und standen vor dem Altar, ohne recht zu wissen, was sie jetzt tun sollten. Schmunzelnd meinte der Pfarrer, er hielte es für eine gute Idee, wenn der Bräutigam die Braut jetzt küssen würde.
Da konnte ich einfach nicht mehr! Verzweifelt suchte ich nach einem Taschentuch, um es mir auf den Mund zu pressen, links neben mir gluckste Steffi, rechts wischte sich Janet die Lachtränen aus den Augen – es war so umwerfend komisch, wie Sascha seine Frau erleichtert umarmte und ihr einen vorsichtigen Kuß gab, damit um Himmels willen der Lippenstift nicht abfärbte.
Sodann schritt die gesamte Familie unter den Klängen, nein, keines Chorais, sondern einer Musical-Melodie, in die Sakristei, wo wir uns vor dem blumengeschmückten Tisch gruppierten und zuguckten, wie das frischgebackene Ehepaar Urkunden unterzeichnete. Erst mit einem simplen Kugelschreiber, dann – für den Fotografen – mit einem hellblauen Gänsekiel. Als auch das überstanden war, formierten wir uns aufs neue, und dann durften wir, das Brautpaar vorneweg, die Kirche verlassen.
Draußen wartete schon die nächste Hochzeitsgesellschaft einschließlich frierender Braut, der irgend jemand ein schwarzes Jackett über die Schultern gehängt hatte. Wir hatten den Zeitplan völlig durcheinandergebracht.
»Das geht ja hier wie am Fließband.« Katja zitterte wie Espenlaub. Zwölf Grad plus und Sommerkleid vertragen sich eben nicht. »Hoffentlich kommen wir mit einem der ersten Wagen weg.«
Doch erst mußten auch wir noch in den Kirchgarten zum Fototermin. Brautpaar allein, Brautpaar mit den Müttern, Brautpaar mit den Schwestern, Brautpaar mit kompletter Familie, Brautpaar mit Blumenmädchen … Es nahm und nahm kein Ende. Als der Fotograf endlich seine Kamera verstaute, ging alles noch mal von vorne los, nur jetzt mit etwas action bitte. Für einen Videofilm braucht man Bewegung. Also drapierten wir Vickys Schleppe, spielten Bäumchen-wechsle-dich, damit jeder mal an einem anderen Platz stand, und bemühten uns nicht sehr erfolgreich, das Zähneklappern zu unterdrücken.
Noch immer hatte ich keine Gelegenheit gehabt, dem frischgebackenen Ehepaar zu gratulieren, und als ich es endlich tun wollte, zischelte Sascha: »Nicht jetzt, erst zu Hause.«
Na schön, wenn das hier so üblich war, bitte sehr. Mein Getreide wurde ich auch nicht los. Beim letzten Einkauf im Supermarkt hatte ich eine Tüte Milchreis mitgenommen, der war am billigsten gewesen, doch kaum hatte ich eine Handvoll aus der Tasche geholt, stürzte Janet auf mich zu. Bloß keinen Reis, der würde in den Haaren und vor allem an Vickys Kleid hängenbleiben und noch Stunden später überall herausrieseln. Das war einzusehen, aber ich mußte wieder einmal feststellen, daß der Wahrheitsgehalt angelsächsischer Filme in wesentlichen Punkten anzuzweifeln ist.
Im ersten Wagen, der zwar auf Hochglanz poliert, aber ohne jeglichen Blumenschmuck auf das Brautpaar wartete – derartige Dekorationen sind in England ebenfalls nicht üblich, man gibt sich dezent –, fuhren die Jungvermählten ab. Und als so nach und nach die übrige Gesellschaft eintrudelte, standen sie mitten im Wohnzimmer und nahmen die Glückwünsche entgegen. Und die Geschenke, soweit sie nicht schon vorher abgeliefert
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