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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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worden waren.
    »Wie lange halten Hochzeitsgeschenke eigentlich?«
    wollte Nicki von mir wissen, eine kristallene Blumenvase begutachtend.
    »Das kommt vermutlich auf die Intensität des jeweiligen Ehekrachs an«, sagte Katja. »Jedenfalls würde
ich
diese Vase als erstes an die Wand schmeißen.«
    In Gedanken ließ ich meine damaligen Hochzeitsgeschenke Revue passieren, konnte mich jedoch nicht erinnern, noch ein einziges Teil davon zu besitzen.
    Vor einigen Jahren war als letztes das Schlafzimmer hinausgeflogen, Präsent der Schwiegereltern, aber zwanzig Jahre Birke geflammt war nun wirklich genug gewesen. »Ich glaube, das einzige, was ich von meiner Hochzeit noch habe, ist euer Vater«, mußte ich zugeben, womit Nicoles Frage wohl hinreichend beantwortet worden war.
    Mit einem Glas Champagner in der Hand verkrümelten wir uns wieder in unsere Sofaecke, hoffend, der allgemeinen Aufmerksamkeit etwas entgehen zu können.
    Doch das war ein Irrtum. Jeder, der an dem Brautpaar vorbeidefiliert war, hatte das Bedürfnis, nunmehr die deutsche Verwandtschaft kennenzulernen. Zurückhaltung war nicht mehr nötig, jetzt war man ja unter sich.
    Nun kann ich mich in englisch zwar ganz gut verständigen, bin in der Lage, über das Wetter zu plaudern und, wenn’s denn sein muß, sogar über das Essen (es empfiehlt sich allerdings, bei diesem Thema seine ehrliche Meinung nicht kundzutun!), aber längere Unterhaltungen scheitern immer wieder an meinem zu geringen Wortschatz. Zum Glück beschränkte sich die Neugier der uns inspizierenden Gäste auf immer die gleichen fünf Fragen.
    Erstens:
    Ob wir zum erstenmal in England seien? Das ließ sich mit einem einfachen Ja beantworten.
    Zweitens:
    Wie uns England gefiele.
    Hier war natürlich Begeisterung angebracht.
    Die entsprechenden Adjektive wie beautiful, enchanting oder exceedingly nice kannte ich noch von der Schulzeit her.
    Drittens:
    Ob wir schon in London gewesen seien. Nein, natürlich nicht, wir seien ja gestern erst angekommen.
    Viertens:
    Ob wir London noch besuchen würden? Selbstverständlich, was wäre ein Englandaufenthalt ohne eine excursion (das heißt »Abstecher«, das Wort hatte ich mir von Thomas sagen lassen) in die berühmte Metropole.
    Fünftens:
    Wie lange wir denn bleiben würden. Bis Mittwoch, dann müßten wir – leider, leider – wieder nach Hause.
    Damit war die Konversation in der Regel beendet. Mit einem »So I hope you will have a nice time«
    verabschiedete sich der jeweilige Interviewer, um dem nächsten Platz zu machen. Nach geraumer Zeit gingen uns die Antworten richtig flüssig von den Lippen, gelegentlich variierten wir sie sogar und heimsten eine zusätzliche Frage ein: Wo wir so gut Englisch gelernt hätten.
    Das Glas, mit dem Thomas um Ruhe bat, hielt dem Messergriff nicht stand und zerbrach, aber es hatte seinen Zweck erfüllt. Alles starrte den Übeltäter an. Er räusperte sich und begann mit seiner Rede. Da sie weder vom Wetter noch vom Essen handelte, bekam ich nicht allzuviel mit, doch sie muß wohl recht amüsant gewesen sein, denn häufig wurde gelacht, und der Beifall am Schluß war nicht höflich, sondern enthusiastisch. Glückwunschtelegramme waren noch nicht eingegangen, und so durfte Thomas schließlich den Sturm aufs Büfett freigeben.
    Mit dem Kampf um Truthahn in Aspik und Waldorfsalat hinreichend beschäftigt, hatte sich das Gros der Gäste im Nebenzimmer zusammengedrängt. Sascha öffnete verstohlen den obersten Hemdenknopf, während Vicky in den nächsterreichbaren Sessel sank und erleichtert ihre Schuhe abstreifte. »Only for five minutes.« Doch so viel Zeit blieb ihr gar nicht. Die ersten Gratulanten, gesättigt und abgefüllt, gingen bereits, dafür kamen neue. Und wieder fing es von vorne an: »Oh, Mrs. Sanders, have you already been in London?«
    Irgendwann hatte ich genug. Ich schnappte mir Sir Henrys Leine, der sich gleich uns auf dem Sofa verkrochen hatte, und entschwand durch die Hintertür.
    Steffi hinterher. »Ich komme mit, Knobby muß bestimmt auch mal raus.«
    Bei Knobby handelte es sich um eine Art vierbeinigen Berberteppich. Er gehörte Vickys Schwester Gaynor und hatte sich im Gegensatz zu Sir Henry als so kommunikationsfreudig gezeigt, daß er kurzerhand im Bad eingesperrt worden war. Zwei Laufmaschen und fünf Zentimeter abgerissene Spitze gingen bereits auf sein Konto.
    Mit unseren Alibi-Wauwaus machten wir einen ausgedehnten Spaziergang. »Ach, tut das gut!« Steffi atmete ein paarmal tief durch.

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