Werden sie denn nie erwachsen?
ohne Gedächtnisprothese ist man da aufgeschmissen.
»Was mögen denn die Thomasse und was nicht?«
»Thomas ißt alles und am liebsten Geleebananen«, sagte Nicki. Nun ja, mal was Neues, Geleebananen hatte ich noch nie auf meiner Wunschliste.
»Tom mag keine Süßigkeiten«, gab Katja zu Protokoll.
»Einmal hat er bei uns tatsächlich zwei Stück Kuchen gegessen und hinterher gesagt, damit sei sein Jahresbedarf an Süßem gedeckt. Geschmeckt hat es ihm sowieso nicht, er wollte bloß höflich sein. Das war noch ganz am Anfang, weißt du.«
Das war eine völlig neue Situation. Ein männliches Wesen, gleich welchen Alters, das sich nicht auf jedes Stück Schokolade stürzt, war mir noch nicht untergekommen.
»Ich kann dem armen Kerl doch nicht zwei Tüten Kartoffelchips auf seinen bunten Teller kippen.«
»Könntest du«, sagte Katja, »mußt du aber nicht. Es gibt ja inzwischen diese niedlichen Pizza-Kekse oder bei Hussel das asiatische Knabberzeug. Käsegebäck ißt er auch gerne, da finden wir schon was.«
Ich schrieb auf meine Liste: Tom = Salziges. »So, und jetzt will ich endlich wissen, wer sich am ersten Feiertag um meinen Freßnapf schart.«
»Ist doch ganz einfach.« Nicki zählte auf: »Erst mal der Familienstamm, das sind immer sieben gewesen und sind es heute noch, dann Vicky, Horst Herrmann, Thomas und Tom. Daß Svens Tussie kommt, glaube ich nicht, soviel ich weiß, fliegt die mit ihren Eltern über Weihnachten nach Gran Canaria. Die haben doch Kohle ohne Ende.«
»Also sind wir elf«, rekapitulierte Katja, »wo liegt das Problem?«
»In der Gans! Eine ist zuwenig, und zwei kriege ich nicht in den Ofen.«
»Das ist ein Argument«, gab sie zu, »da müssen wir uns wirklich was einfallen lassen.« Ihr fiel auch tatsächlich etwas ein. »Den zweiten Vogel schieben wir drüben bei Sascha in die Röhre.«
»Und ich renne alle halbe Stunde fünfzig Meter weit, um das Vieh zu begießen, oder wie stellst du dir das vor?«
»Dabei wechseln wir uns eben der Reihe nach ab.«
Na gut, das wäre eine Möglichkeit, doch: »Wie soll ich elf Leute um den Tisch kriegen?«
»Das könnte in der Tat etwas eng werden«, räumte sie ein. »Vielleicht ginge es, wenn wir den kleinen Eßtisch von Sascha dazustellen?«
»Aber wohin mit den Stühlen? Soviel Platz haben wir doch gar nicht«, warf Nicki ein.
»So viele Stühle auch nicht. Ich bekomme maximal zehn zusammen einschließlich des Hockers aus dem Bad.«
»Sascha hat doch auch welche.«
»Der wird sich schön bedanken, wenn wir ihm ausgerechnet zu Weihnachten die halbe Bude ausräumen«, erwiderte ich.
»Ach was, dafür kriegt er ja ein kostenloses Mittagessen.«
Er erhob auch keinen Protest, sondern stellte im Gegenteil vom Salzstreuer bis zur Aufschnittgabel alles zur Verfügung, was mir vielleicht noch fehlen würde.
Sogar seine handgeschliffenen Gläser, Hochzeitsgeschenk einer begüterten englischen Tante, die er nie gesehen hatte.
Die Gläser brauchte ich nicht, sie waren das einzige, wovon ich selber genug hatte. Alte Römer mit dicken geriffelten Stielen, ererbt von meinem Großvater. Da wir sie nie benutzten, waren sie sogar noch vollständig.
Anderthalb Dutzend.
Im Gegensatz zu meinem Geschirr, das nur noch aus Fragmenten bestand. Wie in jeder deutschen Familie üblich, hatten wir mal zwei verschiedene Ausführungen besessen, eine für täglich, die andere für »gut«, wobei unsere Meinungen, wann denn nun das gute aufzulegen sei, schon immer auseinandergegangen waren. Ich hätte es am liebsten nie auf den Tisch gestellt, weil es ein so herziges Streublümchenmuster hatte, das allenfalls für Kaffeetassen akzeptabel gewesen wäre. Doch meine Großmutter, Malchen Jäger, hatte schon immer ein Faible füi Blumen gehabt; das hatte bei Maiglöckchenparfüm angefangen und bei sonnenblumenbestickten Sofakissen noch lange nicht aufgehört. Dieses als gut deklarierte Geschirr stammte auch von ihr und war uns zum zehnten Hochzeitstag überreicht worden. Weil wir damals erst drei Kinder hatten und der Wunsch nach weiterem Nachwuchs noch nicht geäußert worden war, hielt Omi die Ausführung für sechs Personen als ausreichend. Ein paar Jahre später saßen jedoch sieben Leute am Tisch, was die Aufstockung der Blümchenteller notwendig gemacht hätte. Allerdings konnte man das Dekor nicht mehr nachkaufen, es hatte sich schon damals um ein Auslaufmodell gehandelt. Komplett war es ohnedies nicht mehr, denn die zum Küchendienst verpflichteten Helfer
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