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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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einer Toilettenfrau oder diverse Putzstellen in Großraumbüros angeboten hatte.
    »Wir versuchen es jetzt mal in Heilbronn.«
    Da suchte ein großes Einkaufszentrum Kassiererinnen für den Supermarkt. »Warum nicht?« sagte Nicki. »Dabei kann man wenigsten sitzen. Mal sehen, was die zahlen.«
    Offenbar war die Auskunft zufriedenstellend. Die Mädchen ließen sich anheuern, wurden drei Tage lang im Umgang mit Registrierkasse und Scanner unterwiesen und dann auf die Menschheit losgelassen. Und jeden Abend begannen sie das gleiche Spiel:
    »Blumenkohl?« – »615.«
    »Richtig. Fleischtomaten?« – »637.«
    »Falsch, 635. 637 ist Sellerie.«
    Bis es Rolf zu dumm wurde. »Was soll der Quatsch?«
    »Das sind die Registriernummern für Obst und Gemüse, die müssen extra eingetippt werden. Bloß die für Knoblauch kann ich mir nie merken.«
    »644«, sagte Nicki. Ob ihre Behauptung, sie habe nachts im Schlaf ihr Kopfkissen über einen imaginären Scanner gezogen, stimmte, weiß ich nicht, aber möglich wäre es schon. Jedenfalls hielten die Mädchen diesmal durch. Sie waren nur nicht begeistert, wenn plötzlich jemand Bekanntes oder gar die Mutter eines ehemaligen Klassenkameraden neben der Kasse stand und etwas herablassend fragte: »So so, hier schafft ihr jetzt? Hot’s fürs Schtudium riet g’langt? Oder habt ihr net g’wellt? Lieber schnell schaffe ond’s Geld verdiena für die Ausschteuer, gell?«
    Sechs Wochen lang saßen sie eisern ihre acht Stunden täglich ab (oder auch mehr, denn der Dienstleistungsabend war schon erfunden), dann kauften sie für das Selbstverdiente neue Badeanzüge, ein Zweimannzelt sowie einen halben Zentner Konserven und fuhren an die französische Atlantikküste, Urlaub machen.
    »Wer kümmert sich denn inzwischen um euer Grünzeug?« Bisher war wenigstens einmal in der Woche eine der beiden abends in die gemeinsame Wohnung gefahren, hatte gelüftet und die Blumen gegossen (Nickis Zimmer sah ohnehin schon aus wie ein Botanischer Garten), aber mir schwante, daß dieser Liebesdienst jetzt an mir hängenbleiben würde.
    »Ist schon geregelt«, beruhigte mich Katja, »ich habe Volker gebeten, die Pflanzen zu gießen.«
    »Volker?« sagte Nicki gedehnt. »Der ist doch viel zu unzuverlässig. Dann gieße ich sie lieber selber nicht.«
    Sven war es, der mir die Ausflüge nach Dossenheim ersparte. Zusammen mit einem Sack voll Seramis setzte er sich in Marsch, topfte das ganze Grünzeug um und installierte eine komplizierte Anlage, mit deren Hilfe das Gemüse bewässert wurde. Es hat auch ausnahmslos überlebt.
    Allmählich hörte der Zulauf akademisch gebildeter Hausgäste auf. Der letzte war Markus, ein schon älteres Semester sowohl an Jahren als auch an Studienzeit, der sich in verschiedenen Sparten versucht hatte und bei keiner richtig hängengeblieben war. Soweit ich mich erinnere, hatte er mit Biologie begonnen, war dann zu Germanistik übergewechselt mit ein bißchen Geschichte nebenbei, hatte zwei Semester Physik belegt und war jetzt bei Mathematik angekommen. »Zur Zeit kriegt er noch Bafög, doch womit er mal seine eigenen Brötchen verdienen will, weiß ich nicht«, hatte Katja gesagt. »Eins hat er uns aber allen voraus: In ›Trivial Pursuit‹ ist er nicht zu schlagen.«
    Diese Feststellung nötigte mir denn auch die erwartete Hochachtung ab. Ich schaue bei dem vertrackten Frageund-Antwort-Spiel nämlich nie besonders gut aus!
    Markus war ein Typ, der selbst im ausgeleierten Sweatshirt so aussah, als habe er eine Krawatte um, und vermutlich würde er selbst in einer Hängematte steif wie ein Brett liegen. Er war höflich (ich auch), hilfsbereit (ich auch, denn ich sorgte für regelmäßigen Nachschub an Kaffee und nähte ihm zwei abgerissene Knöpfe an), doch als er nach vier Tagen noch immer nicht verschwunden war, wurde ich unhöflich und schmiß ihn raus. Zu Weihnachten bekam ich eine Grußkarte von ihm mit Dank für erwiesene Gastfreundschaft.
    Und dann kam der Tag, an dem mir die Mädchen eröffneten, sie würden jetzt nicht mehr so oft nach Hause kommen, da sie »anderweitig engagiert« seien. Die Töpfchen hatten ihre Deckelchen gefunden! Wie es sich gehört, fast zum gleichen Zeitpunkt, und – wie bei Zwillingen nicht erstaunlich – heißen beide Knaben Thomas. Einer studiert was Technisches, der andere ist Tauchlehrer mit eigenem Sportartikelgeschäft. Katja hatte seinerzeit in Kenia mit dem Tauchen angefangen und später weitergemacht, obwohl deutsche Baggerseen

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