Werden sie denn nie erwachsen?
zeigte weihnachtliche Motive (wer, um alles in der Welt, kauft sich ein Service für nur drei Tage im Jahr?), das zweite kannte ich schon, es war das mit dem Goldrand, und das dritte war tief schwarz. Ein etwas zu scharf gebratenes Steak würde man nur mit Mühe darauf finden.
»Ich verstehe nicht, weshalb in Deutschland haben die Leute eine solche schlechte Geschmack«, sagte Vicky, als wir Putten und Engelchen hinter uns gelassen hatten und auf der Suche nach dem nächsten Geschäft waren.
»In England es ist sehr leicht zu finden gutes Geschirr.«
Für den, der Teetassen mit handgemalten Rosen drauf liebt, sicherlich.
Im letzten Geschäft, das mir meine Putzfrau als »arg gut sortiert« empfohlen hatte, hätte ich beinahe zugegriffen, allerdings mehr aus Verzweiflung. Mindestens acht Läden hatten wir abgeklappert, mindestens achtzig verschiedene Muster begutachtet, teilweise nur im Katalog, aber »des bschtelle mer Inné gern«, und noch immer nichts gefunden, was meiner Vorstellung nur annähernd entsprochen hätte. Hellgrau mit Rosa war zwar auch nicht das, was ich suchte, aber es sah wenigstens sehr edel aus.
»Zusammen mit rosa Servietten und passenden Kerzen müßte es eigentlich wirken«, sagte ich zu Vicky.
Wennschon, dennschon!
Sie schüttelte nur den Kopf. »Das du dir siehst bald übrig. Es ist genau wie mit zu moderne … wie heißt diese Papier an die Wände?«
»Tapeten?«
»Ja, Tapeten. Erst dir gefällt großartig, und nach ein Jahr du kannst nicht mehr sehen.«
Recht hatte sie! Also kein Rosa und Grau, dann schon lieber Steingut, ganz weiß ohne Schnörkel. Gab’s billig bei Ikea, Erstausstattung für junge Paare.
Welcher Zufall uns in jene Ecke geführt hatte, an der ich, wenn überhaupt, immer nur achtlos vorbeigelaufen war, kann ich nicht mehr sagen. Wahrscheinlich wäre ich auch diesmal vorübergegangen, hätte Vicky mich nicht zurückgehalten. »Sieh mal, Evelyn, hier ist noch eine kleine Geschäft, aber die Fenster sieht gut aus.«
Kunststück, es war das Rosenthal-Studio! Und klein war es keineswegs, es wirkte nur von außen so winzig. Eine Treppe höher betraten wir ein Paradies, angefüllt mit mattschimmerndem Porzellan und funkelndem Kristall.
Und da stand es,
mein
Service, in der dritten Vitrine links.
Ein kleines bißchen asymmetrisch mit einem wie zufällig entstandenen Dekor in zwei verschiedenen Grautönen.
»Das ist es!« sagte ich sofort. Vicky pflichtete mir bei.
»Es ist sehr schön und sicher sehr teuer.«
Das stimmte. Als wir die nötigen Zubehörteile wie Schüsseln, Saucière, Platten und was sonst noch auf einen festlich gedeckten Tisch gehört, zusammengestellt hatten und die Verkäuferin die einzelnen Beträge in die Kasse tippte, kam eine Summe heraus, für die ich den halben Geschirrbestand von Ikea hätte erwerben können. »Das schenke ich mir eben selbst zu Weihnachten! Im vergangenen Jahr ist es die Perlenkette gewesen, diesmal ist es Porzellan. Beides hat bleibenden Wert.« Ich wandte mich an die Verkäuferin. »Und jetzt hätte ich gern das gleiche nochmals als Kaffeeservice.«
»Du bist verrückt!« sagte Vicky.
»Ich weiß, nur bezeichnet man das in meinem fortgeschrittenen Alter nicht mehr als verrückt, sondern als exzentrisch.«
Zum Einladen der porzellanenen Kostbarkeiten durften wir sogar in die Fußgängerzone fahren, ein Privileg, das ich mir schon immer gewünscht hatte, hauptsächlich dann, wenn so ein Lieferwagen, den ich nicht hatte kommen sehen, genau neben mir durch eine Hefe Regenpfütze gebrettert war.
Unser Einkauf hatte nur einen Haken: Die beiden Services waren nicht vollständig. Als wir endlich nach Hause fuhren, lagen im Kofferraum acht Suppenteller, zehn Eßteller, zwei Schüsseln und die Saucière. Der Deckel von der Zuckerdose war unauffindbar gewesen.
Die Verkäuferin, in der Schlußphase der Verhandlungen durch den Geschäftsführer verstärkt, hatte mich jedoch beruhigt. Selbstverständlich kämen die fehlenden Teile noch vor den Feiertagen, und ebenso selbstverständlich werde man sie mir dann unverzüglich zustellen. Vielen Dank und auf Wiedersehen.
Rolf begutachtete meine Neuerwerbung, fand sie sehr schön, aber viel zu teuer, obwohl ich ihm nur die Hälfte des wirklichen Preises genannt hatte. Hätte ich ihm die Wahrheit gesagt, würde er sich vermutlich geweigert haben, jemals davon zu essen. Regelrecht begeistert war Sascha. »Das sieht wirklich toll aus! Da mache ich was draus. Den Tisch decke
ich,
und
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