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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hatten im Laufe der Jahre für erhebliche Dezimierung gesorgt.
    Genaugenommen hatte mich mein unzulänglicher Geschirrbestand nie gestört. Unsere Freunde auch nicht.
    Für den Kaffee – wenn sie denn welchen tranken – benutzten sie lieber die Keramikbecher, da ging mehr rein, Gläser hatten wir genug, Suppentassen auch, und zum Abendessen stellte ich rustikale Holzbretter hin. Mittags hatten wir selten Gäste, abgesehen von der zeitweiligen Studenteninvasion, doch die war mehr an dem interessiert, was drauflag, als an den sowieso nicht vorhandenen Markenzeichen der Teller.
    Jetzt sah die Sache allerdings anders aus. Mir hätte es ja nichts ausgemacht, meine Gänsekeule von einer blauweiß gemusterten Aufschnittplatte auf meinen Streublümchenteller zu legen, aber ich wollte die Zwillinge nicht blamieren. Zu genau konnte ich mir ausmalen, wie die Tanten am Abend über Thomas herfallen und ihn ausfragen würden, und wenn ich ihm auch keine umfassenden Kenntnisse in punkto Tischkultur zutraue, so würde er trotzdem mein Sammelsurium an Einzelstücken ziemlich genau beschreiben können.
    Bei Tom hätte ich weniger Bedenken gehabt. Der war schon ein ganzes Stück in der Welt herumgekommen und hatte sogar einmal geröstete Maden auf Baumrinde essen müssen. Wo das gewesen ist, weiß ich nicht mehr, doch es muß eine sehr unzivilisierte Gegend gewesen sein.
    Es half nichts, ich mußte wohl oder übel zum Ankauf eines neuen Services schreiten. Für zwölf Personen. Und mit mindestens zehn Jahren Garantie für Nachlieferung.
    Eventuelle spätere Verlobungs- beziehungsweise Hochzeitsfeierlichkeiten waren ja auch einzukalkulieren, denn nicht jeder meiner Nachkommen würde im Ausland heiraten, was ich im nachhinein übrigens als äußerst bequem empfunden hatte.
    Die Zwillinge beorderten mich für Dienstag nach Heidelberg. Da hätten sie morgens nur zwei Stunden Vorlesung und anschließend genügend Zeit, mir beim Geschirrkauf beratend zur Seite zu stehen. »Letztendlich müssen wir ja auch davon essen.«
    Begonnen haben wir bei den diversen Kaufhäusern.
    Außer schlichtem Weiß mit erhabenem Teppichfransenmuster fanden wir nichts, das in Frage gekommen wäre. Präzise ausgedrückt:
Ich
fand nichts, die Zwillinge schon. Katja verliebte sich sofort in ein schwarz-grün gestreiftes Service mit eckigen Tellern und konisch verformten Schüsseln. »Sieht das nicht stark aus?«
    »Zumindest originell«, gestand ich ihr zu, doch ich suchte nichts Originelles, sondern etwas Modernes, das trotzdem solide aussehen sollte.
    »Was schwebt dir denn so vor?« hakte Nicki nach.
    »Weiß ich doch nicht.«
    »Und mit solch präzisen Angaben soll man nun einkaufen gehen.«
    Die Geschirrabteilungen der Kaufhäuser hatten wir bald durch, jetzt kamen die Spezialgeschäfte dran. Sie zeichneten sich durch beflissene Verkäuferinnen aus, aber das, was ich suchte, hatten sie auch nicht. Ich wollte keine Teller mit Goldrand, und die mit dem dezenten hellgrünen Streublümchendekor (es scheint nie auszusterben!) schon gar nicht.
    Als um halb sieben die Läden schlossen, hatte ich einen Christstollen gekauft, drei Packungen Weihnachtsservietten und eine Seifenschale für die Küche.
    »Ich versuche es mal in Heilbronn«, sagte ich, nachdem ich die Mädchen vor ihrer Haustür abgesetzt hatte, »vielleicht finde ich dort etwas. Die Schwaben sind solide Leute, die kaufen keine eckigen Teller.«
    Diesmal nahm ich Vicky mit. Sie hatte inzwischen recht gut Deutsch gelernt und stand (steht!) nur noch mit dem
Sie,
das es im englischen ja nicht gibt, auf Kriegsfuß, doch das scheint niemanden zu stören. Jeder Verkäufer überschlägt sich vor Eifer, wenn sie mit ihrem unnachahmlichen Lächeln fragt: »Kannst du mir das rote Topf da oben einmal zeigen, bitte?«
    Um die Kaufhäuser machten wir gleich einen Bogen, sie würden auch nichts anderes zu bieten haben als ihre Heidelberger Filialen, aber »Glas und Porzellan« galt als Fachgeschäft. Es war auch eines, hauptsächlich für Glas, und ein Eßservice aus Acryl wollte ich nun doch nicht haben, es erinnerte mich zu sehr an Campinggeschirr.
    Die Abteilung Porzellan bot Blumenvasen jeglicher Größe an mit viel Gold und Schnörkel, nachgemachtes Meißen (Omi hatte auch mal Zwiebelmuster besessen, bis sie es kurz nach dem Krieg an die Amis verscherbelt hatte, aber das war wenigstens echt gewesen), Kerzenständer und Porzellankörbe mit bunten Engelchen als Griff. Drei Tische waren mit Geschirr dekoriert. Eins

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