Werden sie denn nie erwachsen?
Beispiel Philosophie! Kannste total abhaken. Brauchen wir später nie, aber den Schein müssen wir haben«, schimpfte Katja. »Also sitzen wir unsere Stunden ab und können nicht mal schwänzen, weil der Dozent eine Anwesenheitsliste führt. Na ja, wer nicht stricken kann, muß sich eben anderweitig beschäftigen. Ich nehme mir immer was zu lesen mit.«
»Heute waren wir zum erstenmal auf ’ner Demo«, hieß es ein andermal, »die halbe Uni war auf den Beinen.«
»Wogegen oder wofür habt ihr denn demonstriert?«
»Weiß ich nicht mehr, ich glaube, für mehr Bafög«, sagte Nicki, »aber wir haben ein paar riesig nette Mediziner kennengelernt, mit denen wir später in einer urigen Kneipe gelandet sind.«
Es dauerte gar nicht so lange, dann wurden die regelmäßigen Wochenendbesuche unregelmäßiger. Die Mädchen hatten keine Zeit mehr. Sie jobbten. »Wenn man sich außer Brot und Lätta auch mal was zum Anziehen kaufen will, bleibt einem ja gar nichts anderes übrig«, hatte Nicki gesagt und sich um die Abendschicht bei einer Milchverwertungszentrale beworben. Nach zwei Wochen hatte sie im wahrsten Sinne des Wortes die Nase voll gehabt.
»Wenn ich Joghurt nur rieche, wird mir schlecht.«
Katja hatte es bei einem Presseunternehmen versucht, das Kataloge und andere Druckerzeugnisse für Großkunden verschickte. Sie streikte schon nach zehn Tagen. »Erstens ist das Knochenarbeit, und zweitens habe ich mich dabei ertappt, wie ich mich mit dem Fließband unterhalten habe. Bevor das noch schlimmer wird, höre ich lieber auf.«
Kellnern wollten beide nicht, obwohl diese Arbeit nicht nur gut bezahlt, sondern speziell für die Abendstunden und die Wochenenden angeboten wird. »Kommt nicht in Frage. Sollen wir uns vielleicht für sechzig Pfennig Trinkgeld von so ’nem alten Knacker betatschen lassen?«
Nach diesem kurzen Gastspiel im Berufsleben beschlossen sie, den Gelderwerb bis zu den Semesterferien zu vertagen. »Dann schauen wir, daß wir einen Bürojob bekommen. Während der Urlaubszeit werden immer Aushilfen gesucht.«
Das stimmte, nur wollte man lieber Studenten der Betriebswirtschaft haben beziehungsweise solche, die schon mal in einem Büro gearbeitet hatten. Ein Rechtsanwalt gab Katja trotzdem eine Chance, oder genauer gesagt, dessen Sohn, ein Kandidat der Jurisprudenz und offensichtlich daran gewöhnt, jedes Mädchen in seine sturmfreie Bude zu kriegen. Als er Katja seine Plattensammlung zeigen wollte, biß er auf Granit.
Woraufhin der Herr Papa am übernächsten Tag meinte, es täte ihm ja sehr leid, aber er brauche eine Aushilfe, die wenigstens Maschine schreiben könne.
»Vielleicht hätte ich ihn doch nehmen sollen«, meinte sie hinterher, »schlecht hat der Junior ja nicht ausgesehen.«
»Ich denke, er hatte so feuchte Hände?« erinnerte Nicki.
»Das schon, aber auch einen tollen Sportwagen.«
»Na bitte!«
»Nicht na bitte. Du mußt mal an später denken! Einen Sportwagen kannste doch nicht mit ins Bett nehmen, die Hände sind aber immer dabei.«
Ein kurzes Zwischenspiel als Zimmermädchen in einem Vororthotel rief in Katja wieder die Erinnerung wach an jenen Sommer, als sie noch eine Karriere als Hotelkauffrau angestrebt und unter der Ägide ihres Bruders ein »Schnupper-Praktikum« gemacht hatte.
Knapp sechzehn war sie damals gewesen und zum erstenmal weg von Mutters Schürzenzipfel.
»Wenn Sascha Frühdienst hatte, hat er mich um sechs aus dem Bett geschmissen und eine Stunde später, mit dem Aufschnittwagen durchs Restaurant tigern lassen.
Dabei habe ich die kaum verstanden. Lauter Japaner und Amis. Einer wollte mal ash-tray haben, und weil ich nicht wußte, welche Wurst das ist, habe ich gesagt, er soll mal draufzeigen. Hat er aber nicht, sondern bloß gelacht und immer wieder ash-tray verlangt. Schließlich bin ich ins Office gerast und habe gefragt. Woher sollte ich denn wissen, daß der Kerl bloß ’n Aschenbecher haben wollte?«
Und das peinliche Versehen, mit einem telefonisch georderten Kamillentee in das falsche Zimmer gegangen zu sein, wo statt des magenkranken Staatssekretärs ein kerngesunder Franzose im Bett gelegen hatte, und das nicht mal allein, hatte Katja restlos die Lust auf eine Zukunft im Hotelgewerbe genommen.
Auch jetzt fand sie die Tätigkeit eines Zimmermädchens wenig befriedigend, zumal dieser Job miserabel bezahlt wurde. »In Heidelberg hat das keinen Zweck, da übersteigt das Angebot die Nachfrage«, meinte sie, als man ihr wahlweise den freien Posten
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