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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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für Exkursionen in die Tiefe nicht gerade verlockend sind.
    Statt Korallenriffen und Feuerfischen sieht man entweder gar nichts oder bestenfalls Zivilisationsmüll, doch wer im nächsten Urlaub die Unterwasserwelt in der Karibik erforschen will, muß erst mal durch heimische Tümpel, sonst darf er nämlich nicht.
    Zusammen mit dem noch druckfrischen Befähigungszertifikat präsentierte Katja uns ihren Tom. Eigentlich entsprach er rein äußerlich so gar nicht ihrem Traummann.
    Er war zwar groß (»Er hat sich gerade die Haare ganz kurz schneiden lassen, damit er bei uns nicht immer die Zimmerdecke fegt«) und dunkelhaarig, trug jedoch einen kurzen Vollbart und war Raucher. Ob auch er so wie ich bei meinen gelegentlichen Besuchen in der Küche zum Dachfenster hinausqualmen muß, weiß ich nicht, nehme es jedoch an. Im übrigen pflegen Verliebte negative Angewohnheiten, die sie bei anderen Menschen kritisieren, bei ihren Angebeteten zu tolerieren.
    Meine anfängliche Befürchtung, Tauchlehrer seien so etwas Ähnliches wie Tennistrainer und Skilehrer, die sich in jedem Kurs etwas Passendes für die Freizeitgestaltung suchen, haben sich bis jetzt nicht bewahrheitet.
    Tauchlehrer sind im Gegenteil sehr solide, sehr fleißig und nie langweilig. Allerdings kenne ich nur den einen.
    Nickis Thomas ist ein Einzelkind, ein bißchen verwöhnt, ein bißchen unselbständig, ein bißchen konservativ mit unauffälliger Brille und unauffälligem Auto, der jünger aussieht, als er ist, und sich manchmal auch so benimmt.
    Offenbar erweckt er in meiner Tochter mütterliche Instinkte. Aber er spielt Wasserball, womit zumindest auf einem Gebiet gewisse Parallelen bei den Zwillingen wieder hergestellt sind. Wasser ist Wasser, ob einer oben schwimmt oder unten drunter, spielt letztendlich keine Rolle.
    Das ganze Ausmaß dieser nunmehr festen Bindungen wurde mir zum erstenmal Anfang Dezember bewußt, als auch bei mir die Weihnachtsvorbereitungen anliefen.
    Seitdem man hierzulande schon im August Lebkuchen, Ende September Schokoladen-Nikoläuse und im Oktober Adventskalender kaufen kann, komme ich mit dem Jahresablauf immer ein bißchen durcheinander. Ehe ich mich versehe, ist tatsächlich erster Advent, und dann kann es schon mal passieren, daß ich in letzter Minute einen Kranz kaufe und erst zu Hause feststelle, daß er nicht grün ist, sondern grau und eigentlich als Grabschmuck gedacht war.
    Traditionsgemäß ist Weihnachten ein Fest der Familie.
    Da die beiden Thomasse ebenfalls Familie haben, feierten sie Heiligabend zu Hause. Der eine mit Großeltern, Eltern und Geschwistern, der andere mit Mama, Papa, zweimal Oma und Opa sowie diversen Tanten, die der Ansicht sind, daß Weihnachten nur dort schön ist, wo es auch Kinder gibt. Das nunmehr fünfundzwanzigjährige Kind langweilte sich entsetzlich und tauchte zu späterer Stunde doch noch bei uns auf.
    Anders die nachfolgenden Feiertage, die ja in erster Linie der kalorienreichen Nahrungsaufnahme dienen. Wir hatten uns darauf geeinigt, daß am ersten Feiertag bei uns gegessen wird, während am zweiten die Thomasse nebst Freundinnen zu ihren Familien fahren würden. Besonders die Tanten legten großen Wert darauf, sie hatten Nicki noch nicht kennengelernt. Zu Weihnachten gibt es Gans.
    Auch das ist Tradition, an der sogar die Zwillinge festhalten, obwohl sie sonst alle Dickmacher kategorisch ablehnen.
    Wer Kinder in die Welt setzt und gelegentlich über die Pamperszeit hinaus an später denkt, hat allenfalls die berufliche Karriere seiner Sprößlinge im Sinn. Kaum jemand macht sich darüber Gedanken, daß sich diese vergnügt krähenden Winzlinge eines Tages verdoppeln werden. Bei einem oder zwei Nachkommen läßt sich das noch in den Griff kriegen, bei fünf ist die Katastrophe förmlich programmiert.
    »Wieviel werden wir eigentlich sein?« fragte ich so ganz nebenbei, als wir um unseren Beerdigungskranz saßen, der durch die eine brennende Kerze auch nicht viel weihnachtlicher aussah, vor mir eine Liste mit Dingen, die ich demnächst erledigen mußte. Darunter auch eine genaue Aufstellung aller Vorlieben und Abneigungen, was die Zusammenstellung der bunten Weihnachtsteller betraf.
    Katja ißt kein Marzipan, liebt aber Nougat, Sven futtert alles außer Blätterkrokant, Steffi bevorzugt Rumkugeln und Walnußpralinen, Vicky mag nichts mit Alkohol, Sascha liebt alles mit Alkohol, Horst Herrmann will keine Milchschokolade, Nicole alles mit lila Papier drum, Rolf ißt gerne Knickebein …

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