Werke
ihm hin und sagte: »Seht, da habt Ihr Euch kein Körbchen oder anderes Gefäß zum Sammeln der Beeren mit genommen – wartet, ich will Euch helfen.«
Nach diesen Worten zog sie ein Messer aus der lasche ihres Röckchens, ging ein kleines Hügelchen, auf dem eine junge weißstämmige Birke stand, empor und lösete von dem Stamme mit geschickten Schnitten ein Viereck aus der Rinde, das so weiß, so kräftig und so zart war, wie ein Pergament. Mit dem Vierecke ging sie wieder zu Tiburius, schnitt aus dem Gebüsche, das neben ihm war, einige schlanke Zweige ab, putzte sie glatt aus, tat in die zarte Rinde einige Schnitte, und machte so aus dem Vierecke und aus den Zweigen eine niedliche Tasche, welche nicht nur recht schön die Erdbeeren aufzunehmen fähig war, sondern auch noch den Vorteil hatte, daß sie auf den durchzogenen Zweigen wie auf Füßen stand.
»So,« sagte Maria, »da habt Ihr jetzt ein Körbchen, pflückt fleißig hinein, ich werde indessen auch in dem meinigen ungesäumt nachfüllen, und wenn Ihr fertig seid und etwa ein zweites braucht, so dürft Ihr nur rufen.«
Sie ging von ihm weg wieder auf ihren Platz und förderte ihr Werk – Tiburius auch.
Als sie so viel hatte, wie sie gewöhnlich zu sammeln pflegte, ging sie zu Tiburius und sah, daß er sein winzig kleines Körbchen auch beinahe voll hatte. Sie wandte sich nach einigen Seiten, um zu suchen, damit er doch auch sein Gefäß voll habe. Dann brachte sie ihm die gefundenen auf grünen Blättern und füllte sie ihm in sein Rindentäschchen.
»So,« sagte sie, »nun haben wir beide unsere Geschirre voll, und jetzt gehen wir.«
Sie gingen nun wieder in derselben fast lächerlichen Art zurück, wie sie hereingekommen waren; nämlich durch Gestripp, Farrenkräuter und Steine, ohne Weg, das Mädchen voran und Tiburius in dem grauen Rocke hinter ihr. Sie führte ihn mit derselben Sicherheit wieder auf seinen Waldsteig zurück, mit der sie ihn zu den Urselschlägen hinab geführt hatte. Als sie zu der Stelle kamen, wo die Wege sich trennten, sagte sie: »Ihr könnt jetzt da zu der Andreaswand hinaus gehen, da habt Ihr näher in das Bad, ich gehe wieder links durch den Wald nach Hause. Lasset Euch Eure Erdbeeren wohl schmecken. Ihr könnt auch Zucker dazu nehmen, sogar auch Wein. Wenn Ihr wieder kommt, nehmt ein Messer mit und macht Euch ein viel größeres Körbchen, als das heutige ist. Wollt Ihr mit mir sammeln gehen, so kommt nur wieder übermorgen; ich gehe jeden zweiten Tag, so lange das jetzige schöne Wetter dauert; wenn es einmal regnet, so sind in dieser Jahreszeit alle Erdbeeren verdorben, und ich gehe nicht mehr hinaus. Jetzt lebt recht wohl.«
»Lebe wohl, Maria«, antwortete Tiburius.
Sie ging, ihr Körbchen mit dem weißen Tuche im Waldesdämmer gerade so tragend wie neulich, auf ihrem Wege links, Tiburius ging rechts und fuhr dann, sein Erdbeerkörbchen im Wagen vor sich her haltend, in den Badeort zurück. Da sie ihn so ankommen sahen, und da die Geschichte, wie er mit einer Birkenrindentasche Erdbeeren sammeln gegangen und dann so zurück gefahren sei, sich auch in die nächsten Häuser verbreitet hatte, gab es wieder viel lustiges Gelächter: Tiburius aber wußte nichts davon, er ließ sich gegen Abend von seinem Diener sehr schöne Teller geben und aß die gesammelten Erdbeeren. Er nahm keinen Wein dazu.
Von nun an war er noch zwei Male mit ihr. Das erste Mal machte er sich wirklich mit seinem Messer, das er mit nahm, eine ziemlich große Tasche aus Birkenrinde, die er zur Hälfte mit Erdbeeren voll las: das zweite Mal hielt er doch diese Beschäftigung für zu kindisch, und saß, während Maria ihre Erdbeeren pflückte, mit einem Buche auf einem Stocke und las. Er ging dieses letzte Mal auch wieder mit ihr zu ihrem Vater, und saß in seinem ewigen grauen Rocke, den er lieb gewonnen hatte, geraume Zeit mit dem Manne auf der Bank vor dem Hause und redete mit ihm; denn der Tag war sehr schön, und die Herbstsonne legte ihre Strahlen so warm auf die Mittagseite des Hauses, daß sogar die Fliegen um die zwei Männer scherzten und lustig waren, als wäre es mitten im Sommer. Dann ging er allein, weil er jetzt den feinen Pfad über den Hügel hinab schon wußte, auf die Straße und zu seinen Pferden.
Dieser freundliche, warme Tag war wirklich der letzte schöne gewesen, wie es im Gebirge sehr oft, man könnte fast sagen, immer vorkömmt, daß, wenn im Spätherbste eine gar laue und warme Zeit ist, sie gewöhnlich als Vorbote
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