Werke
Wohnung gingen auf den Garten und über ihn weg auf andere Gärten und endlich auf die nahen Weinberge und Waldhügel der Umgebung. Hier war hauptsächlich ich mit den Kindern. Die vorderen Fenster sahen auf die breite, gerade und schöne Hauptstraße der Vorstadt, in welcher ein angenehmes, nicht zu bewegtes Leben herrschte, Kaufbuden und Warenstände waren, und Wägen fuhren, und Menschen gingen. In diesem Teile der Wohnung war unser Gesellschaftszimmer, noch ein schönes Zimmer und das Arbeitsgemach meines Mannes. Die Entfernung zwischen der Stadt und dem Lande war sogleich und so kurz, daß wir zu keinem einen großen Weg zurück zu legen hatten.
Als einmal ein sehr schöner, milder Morgen war, ich glaube, es war zur Zeit des Frühlingsanbruches, als mein Gatte bereits in der Stadt war, die Kinder aber sich in der Schule befanden, ließ ich mich von der einschmeichelnden Luft bewegen, die Fenster zu öffnen, um die Wohnung zu lüften, und bei dieser Gelegenheit, wie das immer so folgt, auch ein wenig Staub abzuwischen, aufzuräumen, und dergleichen. Wir hörten in unsere Wohnung gerne das Kirchenglöcklein des Krankenhauses, wenn es zur Messe rief, und ich ging nicht selten, wenn ich eben darnach angekleidet war, hinüber, meine Andacht zu verrichten. Eben tönte auch wieder das Glöcklein durch die Lüfte, als ich bei einem Fenster unsers schönsten Zimmers gegen die Straße hinaus sah und ein Abwischtuch ausschwang. Ich hatte aber außer dem Klingen des Glöckleins auch noch einen andern Eindruck, der mich bewog, noch ein Weilchen an dem Fenster zu bleiben. Da ich nämlich hinunter sah, was denn für Leute gingen, erblickte ich ein seltsames Paar. Ein Mann, nach dem Rücken zu schließen, den er mir zukehrte, schon ziemlich bejahrt, mit einem dünnen, gelben Molldonröckchen, blaßblauen Beinkleidern, großen Schuhen und einem kleinen runden Hütchen angetan, ging auf der Straße dahin; er führte ein Mädchen, das eben so seltsam gekleidet war, in einen braunen Überwurf, der ihr fast wie eine Toga um die Schultern lag. Das Mädchen hatte aber einen so großen Kopf, daß es zum Erschrecken gereichte, und daß man immer nach demselben hin sah. Beide gingen mäßig schnell ihres Weges; aber beide so unbeholfen und ungeschickt, daß man sogleich sah, daß sie Wien nicht gewohnt seien, und daß sie sich nicht so zu bewegen verstünden wie die anderen Menschen. Aber bei aller Unbeholfenheit und Ungeschicklichkeit war der Mann doch noch beflissen, das Mädchen zu leiten, mit ihm den fahrenden Wägen auszuweichen und es vor dem Zusammenstoße mit Personen zu hüten. Sie schlugen gerade den Weg ein, der zu dem Kirchlein führte, von dem eben das Glöcklein tönte.
Von Neugierde getrieben, und weil ich dachte, daß der Mann etwa das Mädchen in die Messe führe, beschloß ich, auch dahin zu gehen, meine Andacht zu verrichten, und nebenbei auch etwas Näheres von den beiden zu erfahren oder sie zu betrachten. Ich kleidete mich schnell an, warf ein Tuch um, setzte den Hut auf, und ging fort. Ich bog in das kleine Gäßchen ein, das von unserer Hauptstraße um die Ecke der Soldatenarzneischule herum gegen die Gegend des Kirchleins führt, wohin ich die zwei Menschen hatte einlenken gesehen; allein ich erblickte sie nicht in dem Gäßchen. Ich ging dasselbe entlang, ging durch den Schwibbogen, der dasselbe damals noch schloß, wendete mich um die Häuserecke, und wandelte bis zur Kirche; aber ich sah sie nirgends. Auch in der Kirche, in der wenig Menschen waren, erblickte ich sie nicht. Ich verrichtete nun meine gewöhnliche Andacht, vertiefte mich in dieselbe, und da die Messe vorüber war, und ich mich zum Fortgehen rüstete, sah ich mich noch einmal rings herum, um ihnen Hilfe anzubieten, wenn sie deren vielleicht bedürften; allein ich hatte mich geirrt, das Paar war wirklich nicht in der Kirche. Ich verfügte mich nun auch wieder nach Hause.
Es war seit diesem Vorfalle eine bedeutende Zeit vergangen, und ich hatte ihn längst vergessen, als ich mit meinem Gatten einmal in einer sehr schönen Nacht von der Stadt nach Hause ging. Wir waren in dem Theater in der Hofburg gewesen, und da die Nacht gar so schön und heiter war, so bestimmte uns dieser Umstand, das Anerbieten eines Freundes, der mit uns der Vorstellung beigewohnt hatte, anzunehmen, und bevor wir nach Hause gingen, noch ein wenig bei seiner Familie einzutreten. Wie es zu geschehen pflegt, man sprach dort von dem Stücke, man stritt hinüber und herüber,
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