Werke
nicht zwischen den Gliedern herum gehen, sich nicht in die kriegerischen Anordnungen eindrängen und etwa da Unordnung anrichten. Sie hatten Befehl, wenn die Dämmerung eingetreten wäre, ihre Wohnungen nicht mehr zu verlassen.
Daß das alles die größte Aufregung unter den Bewohnern hervorbrachte, läßt sich denken. Sie gaben ihre Beiträge gerne, sie hätten alles gegeben, wenn sie den Sieg hätten auf unsere Seite bringen können; aber sie waren unruhig, was die Nacht, was der kommende Tag bringen könnte. Daß kein einziger an Ruhe dachte, ist begreiflich.
Der Schloßherr hatte seine Vorratskammer, seine Speicher, seine Küche und seinen Keller geöffnet, er gab mehr, als gefordert wurde, und er sandte unter Tags Knechte mit Wägen an entfernte Stellen seines Gutes, wo er Scheunen und Getreideböden hatte, um Vorrat herbei zu führen, wenn etwa der folgende Tag noch etwas in Anspruch nehmen sollte.
So war die Nacht herein gebrochen. Sie war dunkel, weil es später Herbst war, und weil tiefe Wolken den Himmel bedeckten.
In den Häusern des Dorfes waren Lichter, weil die Leute nicht schlafen gingen. Es war stille, nur daß ein gedämpfter Ruf der Wachen oder das Klirren und der Stoß einer Waffe die Ruhe zuweilen unterbrach.
Die ganze Familie des Schlosses, selbst Gesinde eingerechnet, war in der sogenannten Gartenhalle untergebracht. Die Gartenhalle ist ein großes Gemach und heißt deshalb so, weil es rückwärts gegen den Garten liegt. Es ist gewölbt, hat sehr starke, dicke Steinmauern, die Fenster sind mit eisernen Stäben versehen, und die Geräte sind sehr alt und sehr stark. Man kam gerne im Sommer dahin, weil das Gemach kühl war, und weil die grünen Zweige sehr anmutig an den Fenstern spielten. Im Winter war es häufig an den langen Abenden der Aufenthalt der Mägde, die da spannen oder andere Arbeiten verrichteten, weil es sich gut heizen ließ, und nicht selten geschah es, daß die Verwalterfamilie, der Schloßherr und der Lehrer herab kamen, man versammelte sich um den Ofen, und geriet öfter in das Erzählen von Märchen und Geschichten.
Daß man gerade heute dieses Gemach zum Aufenthalte gewählt hatte, war das Werk des Vaters. Wenn es doch zu etwas kommen sollte, und Kugeln fliegen würden, war man hier für die ersten Augenblicke am sichersten. Gegen das Dorf und den Teich hin war man durch die ganze Dicke des Schlosses gedeckt, gegen die Seiten schützte die halbe Schloßlänge, weil das Gemach in der Mitte lag, und gegen den Garten der Garten, der sehr lang war, und daher den Lauf einer Kugel schwächte, und der in der Nähe der Fenster des Gemaches seine dicksten und dichtstehendsten Bäume hatte, die sie auffangen konnten. Man hatte beschlossen, die ganze Nacht da zuzubringen. In keinem anderen Teile des Schlosses war ein Licht. Nur ein paar Knechte, die in dem Meierhofe waren, hatten eins in ihrer Stube, das aber bald erlosch, da sie schlafen gingen. Die Mägde aber waren alle in der Gartenhalle und spannen.
Als man sich in die Lage gesetzt hatte, die jedem zusagte, als die zwei kleineren Kinder eingeschlafen waren, die zwei größeren in der Nahe der Mutter bei dem Ofen sich zusammen gekauert hatten, und die Spinnräder schnurrten, kam man wieder ins Erzählen, aber heute mit Eifer in das der Kriegsereignisse, und zwar noch dazu in die Färbung, wie sie der Leidenschaft eines jeden zusagte.
Als der Lehrer eine vergleichende Tatsache aus der alten Geschichte erzählt hatte, sagte der Schloßherr: »Da machten es die Tiroler noch besser und heißer; als die Franzmänner durch das Tal der Gleres herunter zogen, war kein Mensch in dem Dorfe. Die Männer waren mit ihren Stutzen in die Steine hinauf gegangen, die zu beiden Seiten der Straße empor ragen, und die Weiber und Kinder waren noch viel höher in den Wald und gar bis gegen den Schnee hinan gebracht worden. Nur ein achtzigjähriger Zimmermann, der keinen Freund und keinen Feind hatte, war im Dorfe zurückgeblieben. Er stand hinter seiner Scheuer, und hatte den Stutzen geladen. Als die schneeweißen Mäntel kamen – denn die Reiterei der Franzosen hatte weiße Mäntel, und war in der Vorhut – hielt er den Atem an, und gebrauchte die Augen. Der beste Federbusch, der in der Mitte wehte, schien dem Vornehmsten anzugehören, weil die andern ihm Ehrfurcht erwiesen.
Der Zimmermann sprang hinter der Scheuer hervor, legte an, ein Rauch – ein Blitz – ein Krach – der Federbusch war verschwunden, und der Reiter lag tot unter dem
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