Werke
Erlebnisse abzustatten, als ich es durch Briefe hatte tun können.
Roderer kam auch nach Wien und besuchte meinen Vater. Da kam es nun zu Tage, daß wir leibhaftig zu Roderers Roderern gehörten. Das wußte mein Vater sehr gut, daß er von einem Roderer herstamme, der Friederich geheißen habe und Obrist gewesen ist. Er soll auf einem Schlosse gehaust haben und sehr reich gewesen sein. Er soll vier Brüder gehabt haben, die alle vier aus Geiz nicht geheiratet hätten, und mit denen er im Unfrieden gelebt habe. Das sind nun genau die vier Roderer Peter Buben. Das ist ganz klar, und der reiche Obrist ist der räudige Friedrich, der fünfte Roderer Peter Bub. Mein Vater wußte ferner, daß ein Sohn dieses Obersten, namens Friedrich, der einen Bruder in dem deutschen Orden hatte, und der Großvater meines Vaters gewesen war, einer schönen Jüdin zu Lieb nach Rußland gegangen war. Die Jüdin aber ist ein nichtsnutziges Ding gewesen, und Friederich hat später die Tochter eines gemeinen Russen, der ihn von Wölfen gerettet und gepflegt hatte, geheiratet. Da ist nun etwas unklar. Entweder mußte er flüchten, oder hat das Mädchen entführt, weil sie eine Leibeigene war. Kurz, mein Vater konnte nichts heraus erfahren, weil sein Vater selber nichts Genaues wußte. Verfolgungen, Elend und dergleichen habe es gegeben. Aber die Ehe mußte anerkannt worden sein, weil Friedrich später wieder in Rußland war und durch Leitung von Bergwerken Vermögen erwarb. Es sind zwei gelbe Briefe vorhanden, welche an diesen Großvater meines Vaters von seinem Bruder Joseph Roderer geschrieben waren, in deren erstem Joseph seine Vermählung anzeigte, und in deren zweitem Joseph um Angabe des Aufenthaltsortes Friedrichs bat. Meines Vaters Vater, auch Friedrich geheißen, war in Siebenbürgen, und hatte dort Liegenschaften. Mein Vater, der wieder Friedrich heißt,verkaufte dieselben, und übersiedelte nach Wien. Daß in Holland Nachkommen von Peter Roderer, einem andern Sohne des Obersten, sein sollen, wußte er auch. Sonach ist der Stammbaum nun aus den Erinnerungen meines Vaters und Roderers völlig aufgestellt worden. Wir, die Friederich Roderer, sind der ältere Zweig von dem Obristen, und die Peter Roderer sind der jüngere. Da der deutsche Herr keine Kinder haben konnte, und die Nachkommenschaft Josephs ausgestorben ist, so sind diese beiden Zweige nun die einzigen Rodererzweige.
Es war großer Jubel über diese Enthüllungen, all unsere Roderer kamen herzu, nämlich meine zwei Oheime mit ihren fünf Söhnen, und es wurde ein Mahl veranstaltet. Meine Großmutter war glücklich, daß sich die Roderer nun wieder mit einem Schlage ausgedehnt hatten. Sie war die lebendige Handfeste unseres Zweiges, und wie so in der alten Geschichte geforscht wurde, kamen ihr immer mehr Erinnerungen zu, und von ihren Lippen folgte Erzählung zu Erzählung, die erst mächtig die Klarheit förderte.
Peter Roderer reisete wieder heim, und im Frühlinge kamen nach Verabredung alle Roderer in Firnberg zusammen und brachten auch alle ihre weiblichen Angehörigen mit. Es war nun da Peter Roderer mit seinem Sohne, der auch wieder Peter hieß und von England gekommen war; es waren da seine drei Brüder mit ihren Gattinnen, sieben Söhnen und drei Töchtern; es war da mein achtundachtzigjähriger Großvater mit unserer achtzigjährigen Großmutter und vier Töchtern, meinen Tanten; es war mein Vater mit mir und meiner Schwester, und es waren da meine – zwei Oheime mit ihren Gattinnen und fünf Söhnen, wozu ich nun noch Mathilde, des älteren Peter Roderers Gattin, und Susanna, meine Braut, nennen muß. Es wurde die Stammesverbrüderung gefeiert, und Peter Roderer gab mehrere Feste. Alle männlichen Roderer hatten den kurzen Vollbart, außer denen, welchen er erst wachsen mußte, und alle Bärte waren braun: nur der meines Vaters war schon gemischt weiß, so wie es die der drei Brüder des älteren Peters waren. Der des älteren Peters war weiß, und der meines Großvaters war schneeweiß. In dieser Versammlung wurde mir auch Susanna endgültig zugesprochen. Die Hochzeit sollte am Petrus-Paulustage sein. In dieser Versammlung sprach auch mein Vater und mein künftiger Schwiegervater den Wunsch aus, daß ich von jetzt an bis zu dem Hochzeitstage einen Flug durch die Länder Holland, Belgien, Frankreich und Italien machen möchte. Ich sah den Grund nicht ein; aber in meinem Glücke wollte ich mich gegen nichts auflehnen, und willigte ein. Als die Roderer sich
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