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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Landgut, das in einem entfernten Teile des Reiches lag und ihr Lieblingsaufenthalt war, ging, oder wenn sie sich auf Reisen befand, oder eine Zeit an einer schönen Stelle unsers Gebirges weilte, wie sie gerne tat.
    An manchen Abenden zu der Zeit, da sie in der Stadt war, sammelte die Fürstin einen kleinen Kreis um sich, in welchem entweder etwas vorgelesen wurde, oder in welchem man über wissenschaftliche oder gesellige oder Staatsdinge oder Dinge der Kunst sprach. Die Kreise waren regelmäßig an gleichen Tagen der Woche, sie waren in der Stadt bekannt, wurden sehr hoch geachtet oder verspottet, wie eben der Beurteilende war, wurden gesucht, und bestanden zuweilen aus sehr bedeutenden Personen. In diese Kreise hatte ich Zutritt erlangt. Die Fürstin hatte mich einige Male getroffen, es war einmal von meiner Wissenschaft die Rede gewesen, sie war sehr neugierig, was man denn von der Geschichte der Erdbildung wisse, und aus welchen Umständen man seine Schlüsse ziehe, und sie hatte mich in ihre Nähe gezogen. Ich hörte aufmerksam zu, wenn ich an den bestimmten Abenden in ihrem Gesellschaftszimmer war, sprach selber wenig, und meistens nur, wenn ich dazu aufgefordert wurde. Die Fürstin saß in schwarzem oder aschgrauem Seidenkleide – lichtere trug sie nie – in ihrem Polsterstuhle und hatte einen Schemel unter ihren Füßen. Die Lampe trug gegen ihre Seite hin einen grünen Schirm und goß ihr Licht in die Gegend der Vorleserin oder des Vorlesers, wenn eben gelesen wurde, Die andern saßen nach ihrer Bequemlichkeit herum. Meistens bildete sich von selber eine Art Kreis. Man hörte in tiefer Stille dem Vorlesen zu und nahm an den Gesprächen, die nach dem Lesen folgten, oder die, wenn gar keine Vorlesung war, den ganzen Abend erfüllten, den eifrigsten Anteil. Die Fürstin konnte ihnen den lebhaftesten und tiefsten Fortgang geben. Es schien, daß das, was die vorzüglichsten Männer in ihrer Gegenwart sprachen, von ihr angeregt wurde, und daß ihre größte Gabe darin bestand, das, was in anderen war, hervor zu rufen. Sie saß dabei mit ihrer äußerst zierlichen Gestalt auf die anmutigste Weise in ihrem Stuhle, und bewegte noch als hochbetagteFrau die Gesellschaft mit ihrer lieblichen Schönheit. Zuweilen, wenn sich ihr Inneres erregte, stand sie auf, hielt sich an ihrem Stuhle, und erklärte und sprach zu den Anwesenden mit ihrer klaren, zarten, wohllautenden Stimme.
    Ich lernte verschiedene Menschen in den Zimmern der Fürstin kennen. Zuweilen war es ein hervorragender Künstler, den man dort sprechen hörte, zuweilen ein Staatsmann, der mit den wichtigsten Angelegenheiten unseres Landes betraut war, oder es war sonst eine bedeutende Persönlichkeit der Gesellschaft, oder es waren die Säulen und die Führer unseres tapferen Heeres. Ich hörte bei der Fürstin Aussprüche, die ich mir merken wollte, die ich mir aufschrieb, und die mir ein unveräußerliches Eigentum bleiben sollten. Ich gestehe es, daß ich nie ohne eine gewisse Beklemmung in das Zimmer mit den blaubemalten Wänden und den dunkelblauen Geräten und den einigen Bildern, worunter mich besonders das anzog, welches ihren Landsitz darstellte, trat, und ich gestehe es, daß ich nie das Zimmer ohne Ruhe und Befriedigung verließ. Ich empfand, daß jene Abende für mich von großer Bedeutung, daß sie eine Zukunft seien.
    Außer den besonders hervorragenden Menschen lernte ich bei der Fürstin auch noch andere Personen des höheren Adels unseres Reiches kennen, kam manches Mal mit den Kreisen desselben in Berührung, und sah seine Art, seine Lebensweise und seine Sitten.
    Neben diesen Abteilungen der menschlichen Gesellschaft kam ich auch mit anderen zusammen. Es war in der Stadt ein öffentlicher Ort, welcher hauptsächlich von Künstlern aller Art besucht wurde, welche sich dort besprachen, Erfrischungen zu sich nahmen, Zeitungen lasen, oder sich mit körperlichen Spielen ergötzten. Diesen Ort besuchte ich gerne. Da war der eine oder der andere Schauspieler von der Hofbühne oder von der Oper, da war ein Maler, dessen Namen damals hoch gepriesen wurde, da waren Tonkünstler, so wohl ausübende als dichtende, da waren Bildhauer und Baumeister, vorzüglich aber waren es Schriftsteller und Dichter, und es befanden sich darunter auch Vorstände und Mitarbeiter an Zeitungsanstalten. Von anderen Personen waren höhere Staatsdiener, Bürger, Kaufleute und überhaupt solche vorhanden, die einen Anteil an Kunst und Wissenschaft und an einem dahin

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