Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
anderes sinniges Zeichen löste, warf er sich in den Kleidern in das Wasser und schwamm neben der Brücke hinüber. Du nahmst ihn dann zu dir, und gabst ihn später in die Stadtschulen. Ich gab sie in die Anstalt. Und wenn sie dann nach Jahren zusammen kamen, selbst in der Zeit, als er schon in dem Kriege gewesen war, und jeden Mann in unserer Gegend übertraf, und als sie so schön geworden war, daß sich kein Mädchen mit ihr vergleichen konnte, waren sie da jemals anders als schroff gegen einander? Und war das nicht die Ursache, daß ich sie um zwei Jahre länger in der Anstalt ließ, als ihre Erziehung forderte? Nach diesen Erfahrungen habe ich Zweifel, ob da eine Ehe in dem Himmel geschlossen werden wird?«
    »Könnten wir nicht dem Himmel ein wenig helfen?« fragte Dietwin.
    »Du redest wieder freventlich, mein Bruder, wie manchmal im Übermute«, antwortete Gerlint; »wie kann ein sterblicher Mensch dem Himmel helfen?«
    »Nun, nicht geradezu helfen,« erwiderte Dietwin, »sondern uns mit unsern Kräften helfen, daß uns Gott hilft. Unser Hauptmann Grünau pflegte zu sagen: ›Hilf Gott, daß er dir hilft.‹«
    »Du glaubst an meinen Spruch nicht, Dietwin?« sagte Gerlint.
    »Ich glaube daran,« entgegnete Dietwin, »und will dir gleich die Beweise sagen. Ich habe über die Dinge nachgedacht, von denen du gesprochen hast; ich habe aber auch andere Dinge entdeckt, durch die der Himmel günstig zu uns redet. Höre an. Unser Geschlecht hat wunderbar lange gedauert. Zur Zeit des ersten Hohenstaufen, Konrad, hat einer der Unsern, Dietwin, der Kardinal, diesen König gekrönt. Dietwin ist immer ein Name in unserem Stamme gewesen, so wie Gerlint. Und der Stamm, wenn er schon im Erlöschen war, hat sich stets wunderbar erneuert. Es ist wunderbar, daß wir zwei, du und ich, an dem nämlichen Monatstage geboren worden sind, nur du um sechs Jahre später. Und heißen wir nicht Dietwin und Gerlint? Und ist es nicht wunderbar, daß die zwei jüngeren Dietwin und Gerlint, wenn sie auch nicht an dem nämlichen Monatstage geboren worden sind, doch gerade auch wieder um sechs Jahre von einander abstehen? Und hat nicht unser Bruder Jakob, da ihm ein Sohn geboren wurde, ihn nach mir Dietwin genannt, zu einer Zeit, da er nicht ahnen konnte, daß dieser Dietwin nach dem Tode seiner Eltern an mir seinen zweiten Vater wird finden müssen? Und ist es nicht mit der Tochter des Bruders Archibald der nämliche Fall, die nach dir genannt wurde, die du der Verwaisten jetzt auch eine Mutter bist? Viel wunderbarer aber ist es noch, daß in den Zügen des Angesichtes und in der Gestalt die Nichte dir und der Neffe mir gleicht. Der Graf Arkan hat ihn neulich für mich gehalten. Wenn da nicht der Finger des Himmels ist, wo ist er dann noch? Und gerade eine Eingebung des Himmels könnte es auch sein, daß du die verwaisten Kinder zuerst in deinem Schlosse Biberau erzogen hast, daß dann der Knabe bei mir und das Mädchen bei dir war, und daß in uns der nämliche Gedanke entstand, sie einmal mit einander zu verheiraten, welchen Gedanken wir lange heimlich trugen, ehe wir ihn einander mitteilten. Ich will noch von einem Umstande reden. Du bist in deinem Leben nie krank gewesen, ich bin nie krank gewesen, und Dietwin und Gerlint sind auch nie krank gewesen, und mögen sie es nie werden, bis sie unser Alter erreicht haben, ja darüber hinaus sind. Und was die Heftigkeit der beiden jungen Leute anbelangt, so weißt du wohl, daß in unserem ganzen Stamme fast ohne Ausnahme die nämliche Eigenschaft besteht, bei Männern wie bei Frauen. Unser Leben hat drei Abteilungen. In der ersten Abteilung herrscht die Heftigkeit, dann kommen allerlei Einbildungen, und dann erscheint eine große Sanftmut und Gutmütigkeit, die bis ins hohe Alter andauert. Sind wir beide doch auch nicht von dem Schicksale unseresGeschlechtes ausgeschlossen gewesen. Ich rede Dicht davon, da ich ein junger Soldat war; ihr habt mich genug getadelt. Dann, als ich das Schwert weglegte, machte ich einen Plan, den ewigen Frieden zu gründen, und machte Reisen in aller Herren Länder, um ihn ins Werk zu setzen. Und nun glaube ich, endlich in die dritte Abteilung eingerückt zu sein.«
    »Ja, lieber Bruder,« sagte Gerlint, »du bist jetzt sanft und gut, verschenkst Rittergüter und Perlen.«
    »Rittergüter und Perlen verschenke ich nur an gute Schwestern und hoffnungsvolle Neffen«, antwortete Dietwin. »Und was dich betrifft, teure Schwester, verbrachtest du auch ein Weilchen in den

Weitere Kostenlose Bücher