Werke
Adam wird dir mit seiner Erfahrung beistehen, und die andern Leute werden dir dienlich sein, und werden dich lieben. Und der entferntere Umgang mit denen, die uns hier auf dem Lande ähnlich sind, kann auch manches Ersprießliche bringen. Ich wünsche von ganzem Gemüte, daß du in der Zeit, in der du hier bist, nur Gutes erlebest, bis der Tag kommt, der dich, der Bestimmung der Frauen gemäß, in dein eigenes Haus als Gebieterin desselben und als Gattin eines rechtlichen Mannes führt. Und so richte dich in deiner Wohnung zurecht, wie du vermagst, und so zeichne ich noch einmal das Kreuz auf deine Stirne«
Und sie machte nach diesen Worten wieder das Zeichen des Kreuzes auf Gerlints Stirne.
Gerlint antwortete auf die Rede ihrer Tante: »Meine geliebte, hochverehrte Mutter. So nenne ich dich, und so werde ich dich immer nennen, weil du es gewesen bist, seit die, welche ich vermöge meiner Geburt Vater und Mutter hätte nennen sollen, und welche ich kaum gekannt habe, in dem Grabe ruhen. Du nimmst mich nun noch näher an dich, als ich es bisher gewesen bin. Ich danke dir innigst dafür, ich werde willig und gehorsam sein, und streben, jedes Gute von dir in mich aufzunehmen. Den Oheim werde ich öfter sehen als bisher, und ihm meine Liebe mehr beweisen können. Der Vetter Dietwin wird in unserem Kreise wohl immer willkommen sein. Mit den Nachbarn hoffe ich in gutes Einvernehmen zu gelangen. Agathe wird mit meiner Unerfahrenheit Nachsicht haben, von Adam werde ich jede Belehrung dankbar annehmen, wie ich ihm für seine Sorge und Mühe auf der Herreise schon sehr dankbar bin, und die Zuneigung der Schloßleute will ich mir erwerben. Und so nimm mich, liebe Mutter, und lasse mich bei dir, und rede von keiner Zeit, in der ich dich verlassen soll, diese Zeit wird niemals kommen.«
Es quollen Tränen bei diesen Worten aus Gerlints braunen Augen. Sie nahm die Hand der Tante und küßte sie, und warf sich dann an ihre Brust und schluchzte laut.
Die Tante legte ihre Arme um sie, streichelte dann ihr braunes Haar an der Stirne, und sagte: »Beschwichtige dich, und sei beruhigt, mein liebes, mein teures Kind.«
»Stoße mich nur nicht zu einem fremden Manne«, sagte Gerlint.
»Närrlein, bleibe bei mir, so lange du willst, ich freue mich deiner«, antwortete die Tante; »aber das Fräulein von der Weiden wird ohne ihren Willen die Strahlen in das Land senden und Fremdes herbei ziehen, und vielleicht für eines hold leuchten.«
»Mögen die Strahlen eher abhalten und wegwenden,« sagte Gerlint, »bei mir ist es so, daß das, wovon du sprichst, nie geschehen kann, so lange ein Hauch in meinem Leben ist.«
»Handle genau, wie du willst,« antwortete die Tante, »Zwang und Willkür herrscht nicht in unserem Stamme.« »Ich weiß, ich weiß«, sagte Gerlint.
»So sind wir hierin einig«, sagte die Tante.
Darauf reichte Gerlint Agathe die Hand, und sagte: »Sei gegrüßt, Agathe, nimm mich als neuen Hausgenossen.«
»Sei gegrüßt, Gerlint,« antwortete Agathe, »ach Gott, ich sage du, als ob du noch das Kind wärest.«
»Ich bin es,« antwortete Gerlint, »und spiele mit mir wieder wie mit einem Kinde.«
Dann reichte sie Adam die Hand, und sagte: »Sei gegrüßt, Adam.«
»Das hochgeborne Fräulein blüht schöner als die Rosen von Jericho, die in unserem Garten sind, und werde es hier gehegt, daß es noch immer schöner und alleweile bei uns blühe«, antwortete Adam.
»Lasse mir die gute Sophie hier, liebe Mutter,« sagte Gerlint, »die mir schon einige Jahre zur Seite war.«
»Sophie ist ja auf meine Veranlassung zu dir gekommen,« antwortete die Tante, »sie wird noch das gute Mädchen sein, wie sonst, und soll bei dir bleiben, so lange ihr euch zusammen wünscht. Sei willkommen bei uns, Sophie.«
Das Mädchen küßte der Tante die Hand.
»Nun, Kinder, lasset den Wagen abpacken, und richtet euch hier ein.«
»Ich habe den Befehl schon gegeben,« sagte Adam, »und die Sachen werden bereits in dem Gange harren.«
»Ich verlasse dich, Gerlint,« sagte die Tante, »wen du noch zu deiner Bedienung brauchst, und was du in dieser Hinsicht wünschest, darüber werden wir morgen eine Wahl treffen. Für heute wird dir Sophie genügen«
»Sie genügt für immer«, sagte Gerlint.
Die Tante wendete sich nun zum Gehen, Gerlint und Agathe begleiteten sie, Adam verließ auch die Zimmer, nur Sophie blieb in denselben zurück.
Nach einer Weile kam Gerlint wieder. Sie ging rasch durch das Vorzimmer und durch das Empfangzimmer.
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