Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
sind nun auch große Leute, die andern sind älter geworden. Sie sind so ziemlich alle gut, die Unterschiede wirst du schon selber sehen. Und die Städte sind ja dann auch nicht außer der Welt, und wir nicht gar arme Fremdlinge in ihnen. Was du von sehr ernsthaften Beschäftigungen da unter uns beginnen willst, davon rede ich nicht, das versteht ihr, die Tante und du, besser als ich. Mich mußt du schon öfter hier in den Kauf nehmen. Die Tante fordert mich selber hiezu auf; denn sie hat meine Wohnung erweitern lassen. Du darfst mir aber nicht etwa den Hof machen, sondern wir leben ohne Zwang so fort. In meinem Hause in Weiden bist du nach der Tante die zweite Herrin. Richtet euch dort alles nach Wunsch zusammen. Und wenn wir nach Weidenbach kommen, so wird dein Vetter doch wohl auch die Sachen so zu richten verstehen, daß feine Frauen nicht so großes Ärgernis an seiner Junggesellenwirtschaft nehmen. So, du hoffnungsvolle Nichte, wir haben dir unsere Aufwartung gemacht, mache uns du nun auch bald die deinige.«
    »Wie ich die hochverehrte Tante mit Ehrerbietung in Weidenbach aufgenommen habe, wenn sie mich besuchte,« sagte Dietwin, »so werde ich meine Base Gerlint mit Zuneigung empfangen, wenn sie in Weidenbach einen Zuspruch macht.«
    »Und ich werde dir mit Zuneigung danken, lieber Vetter«, sagte Gerlint.
    »Und nun, meine Kinder, höret mich an«, sprach die Tante. »Alle Glieder des Stammes derer von der Weiden, die sich auf dieser Erde befinden, sind in diesem Saale versammelt. Sie haben sich eingefunden, um sich zu begrüßen, weil sie nun in einem kleineren Raume bei einander leben werden, als dieses in früheren Zeiten hatte geschehen können. Möge das Zusammenleben ein glückliches und heiteres sein. Und weil mir mein Bruder, wenn ich auch nicht die Älteste des Stammes bin, doch als der Besitzerin des Hauptgutes manche Vorrechte eingeräumt und mir manches anzuordnen überlassen hat, so sage ich euch hinsichtlich des Grußes: Ihr beiden Dietwine, Bruder und Neffe, seid wie vorher nicht Gäste, sondern wie Eigentümer und Mitbesitzer dieses Schlosses. Du, Gerlint, bist das Kind des Hauses und ein bedeutsames Mitglied des Stammes. Und weil dieser Stamm durch Jahrhunderte seinen Wert und seine Würde bewahrt hat, so ist es mir wohl nicht zu verdenken, wenn ich den Wunsch ausspreche, mögen wir, die wir jetzt die einzigen des Stammes sind, nicht die letzten sein. Und so sei nun jedes von uns sich und seiner Zeit wieder zurückgegeben.«
    Nach diesen Worten erhob sich die Tante von ihrem Sitze und näherte sich den Flügeltüren des Saales, und die andern folgten ihr.
    Man geleitete sie bis zu ihrer Wohnung, und verabschiedete sich dort.
    Dann geleiteten die zwei Männer auch Gerlint zu ihrer Wohnung, und verabschiedeten sich auch von ihr.
    Nachdem Gerlint eine kurze Zeit in ihrem Wohnzimmer gewesen war, kam ein Diener zu ihr, und sagte, die Frau Baronin lasse das Fräulein bitten, auf einige Augenblicke zu ihr zu kommen.
    Gerlint leistete Folge.
    Sie traf die Tante in ihrem Wohngemache. Diese wies ihr einen Platz neben sich an, und sagte dann: »Ich muß dich noch einmal plagen, liebes Kind, es werden aber diese ersten Unbequemlichkeiten doch wohl bald vorüber sein.« »Was du wünschest, ist mir keine Plage, teure Mutter«, sagte Gerlint.
    »Es betrifft dich«, antwortete die Tante. »Ich habe dir gestern gesagt, daß wir heute eine Wahl über das treffen werden, was du noch zu deiner Bedienung brauchst. Du hast dich heute über die Nacht mit deiner Sophie allein behelfen müssen. Ich schlage dir vor, daß du noch Martha dazu nimmst. Du warst ja mit ihr immer zufrieden, wenn du bei mir warst. Sie ist ein junges Ding, liebt schöne Kleider und Tändeleien; aber sie ist gutwillig und stets heiter, und wird deiner Jugend neben deiner Sophie wohl anstehen. Sie soll mit Sophie die zwei Dienstgemächer teilen. Ist dir diese Anordnung genehm?«
    »Du bist immer so gütig gegen mich, wie sollte sie mir nicht genehm sein?« antwortete Gerlint.
    »Für alles, was schwerere Arbeit in deiner Wohnung braucht, ist Judith angewiesen. Du darfst nur die Schelle dreimal nach ihr ziehen. Sie ist ein Schatz unseres Hauses, und gewältigt so vieles unscheinbar, in dem sie die andern Leute richtig anleitet. Sie war einmal in einer besseren Lage. Ihr Gatte war ein Weber, und arbeitete mit zehn Gesellen. Sein Handgeschäft wurde durch die neuen Erfindungen immer schlechter. Zuletzt arbeitete er nur mehr allein, und es

Weitere Kostenlose Bücher