Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
Im Wohngemache nahm sie den Hut ab, legte ihn auf einen Tisch, warf sich auf ein Sofa, und rief: »So sind wir hier, und es sei, wie es will. Sophie, lasse unsere Habseligkeiten hereinbringen, und beginne, sie ein wenig zu ordnen.«
    Sophie entfernte sich, und mit Hilfe von Dienern wurden Koffer und Fächer und gestickte Säcke und lederne Säcke und Päckchen und dergleichen in die Zimmer gebracht. Als dieses vollendet war, und die zwei Mädchen sich allein befanden, kniete Sophie vor Gerlint nieder, legte ihr Haupt in ihren Schoß, und blieb eine Weile so.
    Dann stand sie auf, ging zu einem Koffer, sperrte ihn auf, und legte die Dinge heraus. So tat sie mit den andern Koffern und mit den übrigen Fächern, und entledigte alles Gepäcke des Inhalts. Dann suchte sie die Gegenstände in den Geräten, die in den Zimmern waren, unterzubringen. Gerlint schaute zu, und sprach nichts.
    Als die Dinge notdürftig geordnet waren, setzte sich Gerlint vor ein kleines Spiegeltischchen, und Sophie brachte ihr die braunen Haare wieder mehr in Ordnung. Das schwarze Seidenkleid der Reise wurde mit einem andern, aber auch schwarzen Seidenkleide vertauscht. Es reichte bis zum Halse, und denselben umschloß ein feiner weißer Streifen. Auf das Haupt wurde ein blaßgelber Strohhut gesetzt.
    So ging Gerlint zur Tante, und nach einiger Zeit sah man die zwei schwarzen Gestalten, Tante und Nichte, in dem Garten des Schlosses lustwandeln. Gegen den Untergang der Sonne kamen sie in das Schloß zurück. Am Abende war ein feierlicheres Mahl als gewöhnlich, und der Verwalter und seine Gattin waren dazu geladen. Dann wurde Gerlint in ihre Wohnung geleitet, und die erste Nacht ging über die neue Schloßbewohnerin dahin.
    Am nächsten Morgen kleidete sie Sophie nach dem Frühmahle in ein dunkelveilchenfarbenes Seidenkleid. Dann wurde sie zu der Tante in den großen Saal gerufen.
    Sie ging in denselben.
    Dort saß die Tante in aschgrauem Seidenkleide in ihrem gewöhnlichen feierlichen Armstuhle. Der Oheim Dietwin und der Neffe Dietwin saßen neben ihr. Die zwei Männer standen auf, als Gerlint eingetreten war; die Tante aber blieb sitzen, und sprach: »Dein Oheim und dein Vetter sind gekommen, dich zu begrüßen.«
    Der Oheim ging gegen Gerlint, und rief: »Es ist doch toll, welche Gedanken oft über einen Menschen kommen; aber sie kommen wie ein Sturmwind, und man muß sie sogar sagen, und mein holdes Töchterlein wird es schon erlauben: So wie die Füllen des Neffen da, die kleinen Räpplein, seit ich sie zum letzten Male gesehen habe, weit schöner geworden sind, so ist das Mühmlein noch unendlich schöner geworden, seit ich das kleine Küchlein in die Anstalt getragen habe.«
    »Das sind ja freilich tolle Worte,« sprach die Tante, »wenn man eine demütige Nichte gleich bei ihrer Ankunft mit Rappen vergleicht.«
    »Die demütige Nichte verzeiht es, es ist mir plötzlich eingefallen,« sagte der Oheim, »komme her, mein liebes, schönes, demütiges Nichtchen!«
    Und er nahm Gerlint bei den Schultern und küßte sie auf den Mund und auf die Wangen.
    Gerlint schlang die Arme um seinen Nacken, küßte ihn auf den Mund, und rief: »Du lieber, lieber Oheim.«
    »Nun, so ist es recht,« sagte der Oheim, »wenn man uns vor der ganzen Welt küßt, sind wir nicht mehr gefährlich. Liebes, gutes Kind, jetzt bist du unter den Deinigen. Es wird dir da immer wohler werden. Sie haben doch nur das rechte Herz für dich. Da ist nun deine Tante, deine Mutter, du kannst dein Herz aus ihrem Herzen nähren. Da bin ich, der dich wahrhaftig ungemein liebt, und da ist einer, der dich auch nicht mit Feuer und Schwert verfolgen wird. Er ist zu deinem Gruße herbei gefahren.«
    Der Oheim schwieg.
    Dietwin, der Neffe, aber ging gegen Gerlint, reichte ihr die Hand, und sagte: »Sei gegrüßt, meine sehr liebe Base Gerlint.«
    Gerlint reichte ihm auch die Hand, und sagte: »Sei gegrüßt, mein sehr lieber Vetter Dietwin.«
    »Möge es dir in deiner neuen Lage sehr wohl gefallen, und mögest du sehr glücklich sein«, sagte Dietwin.
    »Ich werde es sein, wenn man mich ein wenig liebt«, sprach Gerlint.
    »Wir werden schon auch für allerlei Annehmlichkeiten sorgen,« sagte der Oheim. »vielleicht ergötzt dich verschiedenes, das in den Vorkommnissen unserer Güter liegt, es ist in diesen Dingen viel mehr enthalten, als manche glauben. Junge Gemüter lieben die Zerstreuungen, es wird nicht ganz daran fehlen. Da sind mannigfaltige Menschen um uns, die mit dir Kinder waren,

Weitere Kostenlose Bücher