Werke
auch besehen wie die Marderfelle,« sagte der Oheim, »lasse sie in den Hof bringen.«
»Ich führe sie vor«, rief der Neffe.
Er nahm seinen Hut, und eilte aus dem Zimmer.
Die Geschwister gingen in den großen Schloßhof hinab.
Als sie dort angekommen waren, führte der Neffe an purpurroten, silberverzierten Zäumen die zwei schwarzen Pferdlein hervor, und führte sie vor Oheim und Tante.
»Sie sind wahrhaftig weit schöner geworden, als sie waren, da ich sie zum letzten Male sah«, rief der Oheim.
»Und manierlich sind sie und sittig wie Pagen«, entgegnete der Neffe.
Er ließ sie Bewegungen machen, wie sie solchen Tieren in solchem Alter angeboren und angebildet sind.
»Es ist schon gut,« sagte der Oheim, »und ich danke dir noch einmal. Das ist ein fünfzigster Geburtstag! Lasse dich umhalsen, du heilloser Flederwisch.«
Nach diesen Worten nahm er den Neffen bei dem Haupte und küßte ihn auf den Mund und auf die Wange.
»Nun fort mit ihnen, da kommen sie schon in hellen Haufen«, sagte er dann.
Man hörte ein entferntes Wagenrollen gegen den Hügel des Schlosses heran.
»Komme, Gerlint,« fuhr er fort, »steige zu dem Saale empor, und rüste dich, die Huldigungen zu empfangen.«
Er reichte seiner Schwester den Arm, sie nahm ihn, und er führte sie die Treppe in das Schloß hinan.
Dietwin, der Neffe, gab die Zügel der Pferdchen dem Reitknechte und folgte den beiden Geschwistern.
Sie gingen jetzt in den großen Saal. Hier betrachteten sie noch ein Weilchen die zwei Bilder der Geschwister, die neben einander an der Wand hingen, sehr schöne Gestalten, in den Gewändern der früheren Zeit gemalt. Die Tante schüttelte lächelnd den Kopf, der Oheim war sehr zufrieden.
Dann setzte sich Gerlint in ihren großen Prunksessel, und die beiden Dietwin nahmen auf anderen Stühlen ihre Plätze ein.
Sofort hörte man auch das Wagenrollen im Schloßhofe, und die Diener meldeten bald darauf die, welche angekommen waren.
Sie wurden angenommen, und traten durch die Flügeltüren herein. Kurze Zeit darauf wurden auch andere gemeldet, und kamen in den Saal; diesen folgten wieder mehrere, und so ging es eine Weile fort. Es waren die Bewohner der umliegenden Gegenden, die ihr größerer Grundbesitz und ihre Lebensweise geeignet machten, mit der Herrin des Schlosses Umgang zu pflegen. Sie sagten ihre Wünsche zu dem Geburtsfeste zuerst der Schloßfrau, und dann dem Bruder derselben. Dann nahmen sie auf Stühlen, die in mehreren Kreisen herum standen, Platz, und es wurden nun Gespräche über verschiedene Gegenstände, und man teilte sich allerlei mit, was man der Mitteilung wert erachtete.
Einige fuhren bald wieder fort, andere blieben bei dem Festmahle, zu dem an diesem Tage jeder, der sich einfand, ein geladener Gast war.
Da die Eßglocke tönte, gingen die Anwesenden in den Speisesaal, und verzehrten ein heiteres Mahl.
Für alle die Dienerschaft war in der großen, unteren Schloßhalle gedeckt, und es fehlte nicht an dem feinen Weine, um den der Oheim für sie gebeten hatte.
Nach dem Mahle erging man sich teils in dem Garten, teils in den Wirtschaftsgebäuden, teils in dem Schloßwalde, teils brachte man die Zeit auch wieder in dem großen Saale zu.
Als die Abenddämmerung kam, hatten alle Gäste bis auf den Oheim und Neffen Abschied genommen.
Des andern Morgens schickte der Oheim die Füllen nach Weiden. Dann besahen die Geschwister und der Neffe die Dinge im Schlosse und in seiner nächsten Umgebung, und besprachen sich, wie man in den nächsten Tagen das Entferntere besuchen, und wie man in die am weitesten gelegenen Werke und Gebreite fahren wolle. Die Ausführung des Besprochenen nahm fünf Tage in Anspruch.
Nach dem Verlaufe derselben fuhr der Oheim mit seinen Schimmeln gegen Weiden, der Neffe mit seinen Braunen gegen Weidenbach zurück.
2
In Folge der Verabredung mit ihrem Bruder schrieb Gerlint, die Tante, an die Vorsteherin der Anstalt, in welcher sich Gerlint, ihre Nichte, befand, so wie auch an die Nichte selber. Und am letzten Tage des Monates Mai kam die Nichte in das Schloß Biberau.
Zwei sehr schöne, dunkelgraue Pferde zogen den Wagen in den Schloßhof. In dem Wagen saß Gerlint, an ihrer Seite saß ein Kammermädchen, und auf dem Rücksitze saß Adam, der Verwalter. Als sie ausgestiegen waren, reichte der Verwalter Gerlint den Arm, und führte sie die Schloßtreppe hinan. Das Mädchen folgte. Sie gingen in das Prunkgemach der Tante, in welchem diese ihren Bruder an dem beiderseitigen
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