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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Hunderttausenden die Menschen drücken,
    Ausmergeln, plündern, martern, würgen; und
    Ein Menschenfreund an einzeln scheinen wollen?
    Es wär’ nicht Geckerei, des Höchsten Milde,
    Die sonder Auswahl über Bös’ und Gute
    Und Flur und Wüstenei, in Sonnenschein
    Und Regen sich verbreitet, – nachzuäffen,
    Und nicht des Höchsten immer volle Hand
    Zu haben? Was? es wär’ nicht Geckerei ...
    Nathan
. Genug! hör auf!
    Derwisch
. Laßt meiner Geckerei
    Mich doch nur auch erwähnen! – Was? es wäre
    Nicht Geckerei, an solchen Geckereien
    Die gute Seite dennoch auszuspüren,
    Um Anteil, dieser guten Seite wegen,
    An dieser Geckerei zu nehmen? Heh?
    Das nicht?
    Nathan
. Al-Hafi, mache, daß du bald
    In deine Wüste wieder kömmst. Ich fürchte,
    Grad’ unter Menschen möchtest du ein Mensch
    Zu sein verlernen.
    Derwisch
. Recht, das fürcht’ ich auch.
    Lebt wohl!
    Nathan
. So hastig? – Warte doch, Al-Hafi.
    Entläuft dir denn die Wüste? – Warte doch! –
    Daß er mich hörte! – He, Al-Hafi! hier! –
    Weg ist er; und ich hätt’ ihn noch so gern
    Nach unserm Tempelherrn gefragt. Vermutlich,
    Daß er ihn kennt.
    { ‡ }
Vierter Auftritt
    Daja eilig herbei. Nathan.
    Daja
. O Nathan, Nathan!
    Nathan
. Nun?
    Was gibts?
    Daja
. Er läßt sich wieder sehn! Er läßt
    Sich wieder sehn!
    Nathan
. Wer, Daja? wer?
    Daja
. Er! er!
    Nathan
.
    Er? Er? – Wann läßt sich der nicht sehn! – Ja so,
    Nur euer Er heißt er. – Das sollt’ er nicht!
    Und wenn er auch ein Engel wäre, nicht!
    Daja
. Er wandelt untern Palmen wieder auf
    Und ab; und bricht von Zeit zu Zeit sich Datteln.
    Nathan
. Sie essend? – und als Tempelherr?
    Daja
. Was quält
    Ihr mich? – Ihr gierig Aug’ erriet ihn hinter
    Den dicht verschränkten Palmen schon; und folgt
    Ihm unverrückt. Sie läßt Euch bitten, – Euch
    Beschwören, – ungesäumt ihn anzugehn.
    O eilt! Sie wird Euch aus dem Fenster winken,
    Ob er hinauf geht oder weiter ab
    Sich schlägt. O eilt!
    Nathan
. So wie ich vom Kamele
    Gestiegen? – Schickt sich das? – Geh, eile du
    Ihm zu; und meld’ ihm meine Wiederkunft.
    Gib Acht, der Biedermann hat nur mein Haus
    In meinem Absein nicht betreten wollen;
    Und kömmt nicht ungern, wenn der Vater selbst
    Ihn laden läßt. Geh, sag’, ich laß’ ihn bitten,
    Ihn herzlich bitten...
    Daja
. All umsonst! Er kömmt
    Euch nicht. – Denn kurz; er kömmt zu keinem Juden.
    Nathan
. So geh, geh wenigstens ihn anzuhalten;
    Ihn wenigstens mit deinen Augen zu
    Begleiten. – Geh, ich komme gleich dir nach.
    Nathan eilet hinein, und Daja heraus.
    { ‡ }
Fünfter Auftritt
    Szene: ein Platz mit Palmen, unter welchen der Tempelherr auf und nieder geht. Ein Klosterbruder folgt ihm in einiger Entfernung von der Seite, immer als ob er ihn anreden wolle.
    Tempelherr
.
    Der folgt mir nicht vor langer Weile! – Sieh,
    Wie schielt er nach den Händen! – Guter Bruder, ...
    Ich kann Euch auch wohl Vater nennen; nicht?
    Klosterbruder
.
    Nur Bruder – Laienbruder nur; zu dienen.
    Tempelherr
.
    Ja, guter Bruder, wer nur selbst was hätte!
    Bei Gott! bei Gott! ich habe nichts –
    Klosterbruder
. Und doch
    Recht warmen Dank! Gott geb’ Euch tausendfach
    Was Ihr gern geben wolltet. Denn der Wille
    Und nicht die Gabe macht den Geber. – Auch
    Ward ich dem Herrn Almosens wegen gar
    Nicht nachgeschickt.
    Tempelherr
. Doch aber nachgeschickt?
    Klosterbruder
. Ja; aus dem Kloster.
    Tempelherr
. Wo ich eben jetzt
    Ein kleines Pilgermahl zu finden hoffte?
    Klosterbruder
.
    Die Tische waren schon besetzt: komm’ aber
    Der Herr nur wieder mit zurück.
    Tempelherr
. Wozu?
    Ich habe Fleisch wohl lange nicht gegessen:
    Allein was tuts? Die Datteln sind ja reif.
    Klosterbruder
.
    Nehm’ sich der Herr in Acht mit dieser Frucht.
    Zu viel genossen taugt sie nicht; verstopft
    Die Milz; macht melancholisches Geblüt.
    Tempelherr
.
    Wenn ich nun melancholisch gern mich fühlte? –
    Doch dieser Warnung wegen wurdet Ihr
    Mir doch nicht nachgeschickt?
    Klosterbruder
. O nein! – Ich soll
    Mich nur nach Euch erkunden; auf den Zahn
    Euch fühlen.
    Tempelherr
. Und das sagt Ihr mir so selbst?
    Klosterbruder
.
    Warum nicht?
    Tempelherr
. (Ein verschmitzter Bruder!) – Hat
    Das Kloster Eures gleichen mehr?
    Klosterbruder
. Weiß nicht.
    Ich muß gehorchen, lieber Herr.
    Tempelherr
. Und da
    Gehorcht Ihr denn auch ohne viel zu klügeln?
    Klosterbruder
.
    Wär’s sonst gehorchen, lieber Herr?
    Tempelherr
. (Daß doch
    Die Einfalt immer Recht behält!) – Ihr

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