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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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dürft
    Mir doch auch wohl vertrauen, wer mich gern
    Genauer kennen möchte? – Daß Ihrs selbst
    Nicht seid, will ich wohl schwören.
    Klosterbruder
. Ziemte mirs?
    Und frommte mirs?
    Tempelherr
. Wem ziemt und frommt es denn,
    Daß er so neubegierig ist? Wem denn?
    Klosterbruder
.
    Dem Patriarchen; muß ich glauben. – Denn
    Der sandte mich Euch nach.
    Tempelherr
. Der Patriarch?
    Kennt der das rote Kreuz auf weißem Mantel
    Nicht besser?
    Klosterbruder
.
    Kenn’ ja ichs!
    Tempelherr
. Nun, Bruder? nun? –
    Ich bin ein Tempelherr; und ein gefang’ner. –
    Setz’ ich hinzu: gefangen bei Tebnin,
    Der Burg, die mit des Stillstands letzter Stunde
    Wir gern erstiegen hätten, um sodann
    Auf Sidon los zu gehn; – setz’ ich hinzu:
    Selbzwanzigster gefangen und allein
    Vom Saladin begnadiget: so weiß
    Der Patriarch, was er zu wissen braucht; –
    Mehr, als er braucht. –
    Klosterbruder
. Wohl aber schwerlich mehr,
    Als er schon weiß. – Er wüßt’ auch gern, warum
    Der Herr vom Saladin begnadigt worden;
    Er ganz allein.
    Tempelherr
. Weiß ich das selber? – Schon
    Den Hals entblößt, kniet’ ich auf meinem Mantel,
    Den Streich erwartend: als mich schärfer Saladin
    Ins Auge faßt, mir näher springt, und winkt.
    Man hebt mich auf; ich bin entfesselt; will
    Ihm danken; seh’ sein Aug’ in Tränen: stumm
    Ist er, bin ich; er geht, ich bleibe. – Wie
    Nun das zusammenhängt, enträtsle sich
    Der Patriarche selbst.
    Klosterbruder
. Er schließt daraus,
    Daß Gott zu großen, großen Dingen Euch
    Müß’ aufbehalten haben.
    Tempelherr
. Ja, zu großen!
    Ein Judenmädchen aus dem Feur zu retten;
    Auf Sinai neugier’ge Pilger zu
    Geleiten; und dergleichen mehr.
    Klosterbruder
. Wird schon
    Noch kommen! – Ist inzwischen auch nicht übel. –
    Vielleicht hat selbst der Patriarch bereits
    Weit wicht’gere Geschäfte für den Herrn.
    Tempelherr
.
    So? meint Ihr, Bruder? – Hat er gar Euch schon
    Was merken lassen?
    Klosterbruder
. Ei, ja wohl! – Ich soll
    Den Herrn nur erst ergründen, ob er so
    Der Mann wohl ist.
    Tempelherr
. Nun ja; ergründet nur!
    (Ich will doch sehn, wie der ergründet!) – Nun?
    Klosterbruder
.
    Das kürzste wird wohl sein, daß ich dem Herrn
    Ganz grade zu des Patriarchen Wunsch
    Eröffne.
    Tempelherr
.
    Wohl!
    Klosterbruder
. Er hätte durch den Herrn
    Ein Briefchen gern bestellt.
    Tempelherr
. Durch mich? Ich bin
    Kein Bote. – Das, das wäre das Geschäft,
    Das weit glorreicher sei, als Judenmädchen
    Dem Feur entreißen?
    Klosterbruder
. Muß doch wohl! Denn – sagt
    Der Patriarch – an diesem Briefchen sei
    Der ganzen Christenheit sehr viel gelegen.
    Dies Briefchen wohl bestellt zu haben, – sagt
    Der Patriarch, – werd’ einst im Himmel Gott
    Mit einer ganz besondern Krone lohnen.
    Und dieser Krone, – sagt der Patriarch, –
    Sei niemand würd’ger, als mein Herr.
    Tempelherr
. Als ich?
    Klosterbruder
.
    Denn diese Krone zu verdienen, – sagt
    Der Patriarch, – sei schwerlich jemand auch
    Geschickter, als mein Herr.
    Tempelherr
. Als ich?
    Klosterbruder
. Er sei
    Hier frei; könn’ überall sich hier besehn;
    Versteh’, wie eine Stadt zu stürmen und
    Zu schirmen; könne, – sagt der Patriarch, –
    Die Stärk’ und Schwäche der von Saladin
    Neu aufgeführten, innern, zweiten Mauer
    Am besten schätzen, sie am deutlichsten
    Den Streitern Gottes, – sagt der Patriarch, –
    Beschreiben.
    Tempelherr
. Guter Bruder, wenn ich doch
    Nun auch des Briefchens nähern Inhalt wüßte.
    Klosterbruder
.
    Ja den, – den weiß ich nun wohl nicht so recht.
    Das Briefchen aber ist an König Philipp. –
    Der Patriarch ... Ich hab’ mich oft gewundert,
    Wie doch ein Heiliger, der sonst so ganz
    Im Himmel lebt, zugleich so unterrichtet
    Von Dingen dieser Welt zu sein herab
    Sich lassen kann. Es muß ihm sauer werden.
    Tempelherr
. Nun dann? der Patriarch? –
    Klosterbruder
. Weiß ganz genau,
    Ganz zuverlässig, wie und wo, wie stark,
    Von welcher Seite Saladin, im Fall
    Es völlig wieder losgeht, seinen Feldzug
    Eröffnen wird.
    Tempelherr
. Das weiß er?
    Klosterbruder
. Ja, und möcht’
    Es gern dem König Philipp wissen lassen:
    Damit der ungefähr ermessen könne,
    Ob die Gefahr denn gar so schrecklich, um
    Mit Saladin den Waffenstillestand,
    Den Euer Orden schon so brav gebrochen,
    Es koste was es wolle, wieder her
    Zu stellen.
    Tempelherr
.
    Welch ein Patriarch! – Ja so!
    Der liebe tapfre Mann will mich zu keinem
    Gemeinen Boten; will mich – zum Spion.

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