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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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gefunden. Aber doch ziehen sie ihr Colmans übrige Stücke weit vor, von welchen man die eifersüchtige Ehefrau auf dem Ackermannischen Theater ehedem hier gesehen, und nach der diejenigen, die sich ihrer erinnern, ungefähr urteilen können. Der englische Kaufmann hat ihnen nicht Handlung genug; die Neugierde wird ihnen nicht genug darin genähret; die ganze Verwickelung ist in dem ersten Akte sichtbar. Hiernächst hat er ihnen zu viel Ähnlichkeit mit andern Stücken, und den besten Situationen fehlt die Neuheit. Freeport, meinen sie, hätte nicht den geringsten Funken von Liebe gegen die Lindane empfinden müssen; seine gute Tat verliere dadurch alles Verdienst u.s.w.
    Es ist an dieser Kritik manches nicht ganz ungegründet; indes sind wir Deutschen es sehr wohl zufrieden, daß die Handlung nicht reicher und verwickelter ist. Die englische Manier in diesem Punkte, zerstreuet und ermüdet uns; wir lieben einen einfältigen Plan, der sich auf einmal übersehen läßt. So wie die Engländer die französischen Stücke mit Episoden erst vollpfropfen müssen, wenn sie auf ihrer Bühne gefallen sollen; so müßten wir die englischen Stücke von ihren Episoden erst entladen, wenn wir unsere Bühne glücklich damit bereichern wollten. Ihre besten Lustspiele eines Congreve und Wycherley würden uns, ohne diesen Aushau des allzu wollüstigen Wuchses, unausstehlich sein. Mit ihren Tragödien werden wir noch eher fertig; diese sind zum Teil bei weiten so verworren nicht, als ihre Komödien, und verschiedene haben, ohne die geringste Veränderung, bei uns Glück gemacht, welches ich von keiner einzigen ihrer Komödien zu sagen wüßte.
    Auch die Italiener haben eine Übersetzung von der Schottländerin, die in dem ersten Teile der theatralischen Bibliothek des Diodati stehet. Sie folgt dem Originale Schritt vor Schritt, so wie die deutsche; nur eine Szene zum Schlusse hat ihr der Italiener mehr gegeben. Voltaire sagte, Frelon werde in der englischen Urschrift am Ende bestraft; aber so verdient diese Bestrafung sei, so habe sie ihm doch dem Hauptinteresse zu schaden geschienen; er habe sie also weggelassen. Dem Italiener dünkte diese Entschuldigung nicht hinlänglich, und er ergänzte die Bestrafung des Frelons aus seinem Kopfe; denn die Italiener sind große Liebhaber der poetischen Gerechtigkeit.
    { ‡ }
Dreizehntes Stück
    Den 12ten Junius, 1767
    Den neunten Abend, (Montags, den 4ten Mai,) sollte Cenie gespielet werden. Es wurden aber auf einmal mehr als die Hälfte der Schauspieler, durch einen epidemischen Zufall, außer Stand gesetzet zu agieren; und man mußte sich so gut zu helfen suchen, als möglich. Man wiederholte die neue Agnese, und gab das Singspiel, die Gouvernante.
    Den zehnten Abend (Dienstags, den 5ten Mai,) ward der poetische Dorfjunker, vom Destouches, aufgeführt.
    Dieses Stück hat im Französischen drei Aufzüge, und in der Übersetzung fünfe. Ohne diese Verbesserung war es nicht wert, in die deutsche Schaubühne des weiland berühmten Herrn Professor Gottscheds aufgenommen zu werden, und seine gelehrte Freundin, die Übersetzerin, war eine viel zu brave Ehefrau, als daß sie sich nicht den kritischen Aussprüchen ihres Gemahls blindlings hätte unterwerfen sollen. Was kostet es denn nun auch für große Mühe, aus drei Aufzügen fünfe zu machen? Man läßt in einem andern Zimmer einmal Kaffee trinken; man schlägt einen Spaziergang im Garten vor; und wenn Not an den Mann gehet, so kann ja auch der Lichtputzer herauskommen und sagen: Meine Damen und Herren, treten Sie ein wenig ab; die Zwischenakte sind des Putzens wegen erfunden, und was hilft Ihr Spielen, wenn das Parterr nicht sehen kann? – Die Übersetzung selbst ist sonst nicht schlecht, und besonders sind der Fr. Professorin die Knittelverse des Masuren, wie billig, sehr wohl gelungen. Ob sie überall eben so glücklich gewesen, wo sie den Einfällen ihres Originals eine andere Wendung geben zu müssen geglaubt, würde sich aus der Vergleichung zeigen. Eine Verbesserung dieser Art, mit der es die liebe Frau recht herzlich gut gemeinet hatte, habe ich dem ohngeachtet aufmutzen hören. In der Szene, wo Henriette die alberne Dirne spielt, läßt Destouches den Masuren zu ihr sagen: »Sie setzen mich in Erstaunen, Mademoisell; ich habe Sie für eine Virtuosin gehalten. O pfui! erwidert Henriette; wofür haben Sie mich gehalten? Ich bin ein ehrliches Mädchen; daß Sie es nur wissen. Aber man kann ja, fällt ihr Masuren ein, beides wohl zugleich,

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