Werke
welches den zwanzigsten Abend (Dienstags, den 19ten Mai,) gespielet wurde.
Dieses Lustspiel wimmelt von Fehlern und Ungereimtheiten, und doch gefällt es. Der Kenner lacht dabei so herzlich, als der Unwissendste aus dem Pöbel. Was folgt hieraus? Daß die Schönheiten, die es hat, wahre allgemeine Schönheiten sein müssen, und die Fehler vielleicht nur willkürliche Regeln betreffen, über die man sich leichter hinaussetzen kann, als es die Kunstrichter Wort haben wollen. Er hat keine Einheit des Orts beobachtet: mag er doch. Er hat alles Übliche aus den Augen gesetzt: immerhin. Sein Demokrit sieht dem wahren Demokrit in keinem Stücke ähnlich; sein Athen ist ein ganz anders Athen, als wir kennen: nun wohl, so streiche man Demokrit und Athen aus, und setze bloß erdichtete Namen dafür. Regnard hat es gewiß so gut, als ein anderer, gewußt, daß um Athen keine Wüste und keine Tiger und Bäre waren; daß es, zu der Zeit des Demokrits, keinen König hatte u.s.w. Aber er hat das alles itzt nicht wissen wollen; seine Absicht war, die Sitten seines Landes unter fremden Namen zu schildern. Diese Schilderung ist das Hauptwerk des komischen Dichters, und nicht die historische Wahrheit.
Andere Fehler möchten schwerer zu entschuldigen sein; der Mangel des Interesse, die kahle Verwickelung, die Menge müßiger Personen, das abgeschmackte Geschwätz des Demokrits, nicht deswegen nur abgeschmackt, weil es der Idee widerspricht, die wir von dem Demokrit haben, sondern weil es Unsinn in jedes andern Munde sein würde, der Dichter möchte ihn genannt haben, wie er wolle. Aber was übersieht man nicht bei der guten Laune, in die uns Strabo und Thaler setzen? Der Charakter des Strabo ist gleichwohl schwer zu bestimmen; man weiß nicht, was man aus ihm machen soll; er ändert seinen Ton gegen jeden, mit dem er spricht; bald ist er ein feiner witziger Spötter, bald ein plumper Spaßmacher, bald ein zärtlicher Schulfuchs, bald ein unverschämter Stutzer. Seine Erkennung mit der Cleanthis ist ungemein komisch, aber unnatürlich. Die Art, mit der Mademoisell Beauval und la Thorilliere diese Szenen zuerst spielten, hat sich von einem Akteur zum andern, von einer Aktrice zur andern fortgepflanzt. Es sind die unanständigsten Grimassen; aber da sie durch die Überlieferung bei Franzosen und Deutschen geheiliget sind, so kömmt es niemanden ein, etwas daran zu ändern, und ich will mich wohl hüten zu sagen, daß man sie eigentlich kaum in dem niedrigsten Possenspiele dulden sollte. Der beste, drolligste und ausgeführteste Charakter, ist der Charakter des Thalers; ein wahrer Bauer, schalkisch und gerade zu; voller boshafter Schnurren; und der, von der poetischen Seite betrachtet, nichts weniger als episodisch, sondern zu Auflösung des Knoten eben so schicklich als unentbehrlich ist. (10)
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Achtzehntes Stück
Den 30sten Junius, 1767
Den ein und zwanzigsten Abend (Mittewochs, den 20sten Mai,) wurde das Lustspiel des Marivaux, die falschen Vertraulichkeiten, aufgeführt.
Marivaux hat fast ein ganzes halbes Jahrhundert für die Theater in Paris gearbeitet; sein erstes Stück ist vom Jahre 1712, und sein Tod erfolgte 1763, in einem Alter von fünf und siebzig. Die Zahl seiner Lustspiele beläuft sich auf einige dreißig, wovon mehr als zwei Dritteile den Harlekin haben, weil er sie für die italienische Bühne verfertigte. Unter diese gehören auch die falschen Vertraulichkeiten, die 1736 zuerst, ohne besondern Beifall, gespielet, zwei Jahre darauf aber wieder hervorgesucht wurden, und desto größern erhielten.
Seine Stücke, so reich sie auch an mannichfaltigen Charakteren und Verwicklungen sind, sehen sich einander dennoch sehr ähnlich. In allen der nämlich schimmernde, und öfters allzugesuchte Witz; in allen die nämliche metaphysische Zergliederung der Leidenschaften; in allen die nämliche blumenreiche, neologische Sprache. Seine Plane sind nur von einem sehr geringen Umfange; aber, als ein wahrer Kallippides seiner Kunst, weiß er den engen Bezirk derselben mit einer Menge so kleiner, und doch so merklich abgesetzter Schritte zu durchlaufen, daß wir am Ende einen noch so weiten Weg mit ihm zurückgelegt zu haben glauben.
Seitdem die Neuberin, sub Auspiciis Sr. Magnifizenz, des Herrn Prof. Gottscheds, den Harlekin öffentlich von ihrem Theater verbannte, haben alle deutsche Bühnen, denen daran gelegen war, regelmäßig zu heißen, dieser Verbannung beizutreten geschienen. Ich sage, geschienen; denn im Grunde
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