Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
Vom Netzwerk:
einen deutschen Dichter haben würde, die Calais gegen den Du Belloy gehabt hat. Man erkenne es immer für französische Eitelkeit: wie weit haben wir noch hin, ehe wir zu so einer Eitelkeit fähig sein werden! Was Wunder auch? Unsere Gelehrte selbst sind klein genug, die Nation in der Geringschätzung alles dessen zu bestärken, was nicht gerade zu den Beutel füllet. Man spreche von einem Werke des Genies, von welchem man will; man rede von der Aufmunterung der Künstler; man äußere den Wunsch, daß eine reiche blühende Stadt der anständigsten Erholung für Männer, die in ihren Geschäften des Tages Last und Hitze getragen, und der nützlichsten Zeitverkürzung für andere, die gar keine Geschäfte haben wollen, (das wird doch wenigstens das Theater sein?) durch ihre bloße Teilnehmung aufhelfen möge; – und sehe und höre um sich. »Dem Himmel sei Dank, ruft nicht bloß der Wucherer Albinus, daß unsere Bürger wichtigere Dinge zu tun haben!«
    – – – – Eu!
    Rem poteris servare tuam! – –
    Wichtigere? Einträglichere; das gebe ich zu! Einträglich ist freilich unter uns nichts, was im geringsten mit den freien Künsten in Verbindung stehet. Aber,
    – haec animos aerugo et cura peculî
    Cum semel imbuerit –
    Doch ich vergesse mich. Wie gehört das alles zur Zelmire?
    Du Belloy war ein junger Mensch, der sich auf die Rechte legen wollte, oder sollte. Sollte, wird es wohl mehr gewesen sein. Denn die Liebe zum Theater behielt die Oberhand; er legte den Bartolus bei Seite, und ward Komödiant. Er spielte einige Zeit unter der französischen Truppe zu Braunschweig, machte verschiedene Stücke, kam wieder in sein Vaterland, und ward geschwind durch ein Paar Trauerspiele so glücklich und berühmt, als ihn nur immer die Rechtsgelehrsamkeit hätte machen können, wenn er auch ein Beaumont geworden wäre. Wehe dem jungen deutschen Genie, das diesen Weg einschlagen wollte! Verachtung und Bettelei würden sein gewissestes Los sein!
    Das erste Trauerspiel des Du Belloy heißt Titus; und Zelmire war sein zweites. Titus fand keinen Beifall, und ward nur ein einzigesmal gespielt. Aber Zelmire fand desto größern; es ward vierzehnmal hinter einander aufgeführt, und die Pariser hatten sich noch nicht daran satt gesehen. Der Inhalt ist von des Dichters eigener Erfindung.
    Ein französischer Kunstrichter (11) nahm hiervon Gelegenheit, sich gegen die Trauerspiele von dieser Gattung überhaupt zu erklären: »Uns wäre, sagt er, ein Stoff aus der Geschichte weit lieber gewesen. Die Jahrbücher der Welt sind an berüchtigten Verbrechen ja so reich; und die Tragödie ist ja ausdrücklich dazu, daß sie uns die großen Handlungen wirklicher Helden zur Bewunderung und Nachahmung vorstellen soll. Indem sie so den Tribut bezahlt, den die Nachwelt ihrer Asche schuldig ist, befeuert sie zugleich die Herzen der Itztlebenden mit der edlen Begierde, ihnen gleich zu werden. Man wende nicht ein, daß Zayre, Alzire, Mahomet, doch auch nur Geburten der Erdichtung wären. Die Namen der beiden ersten sind erdichtet, aber der Grund der Begebenheiten ist historisch. Es hat wirklich Kreuzzüge gegeben, in welchen sich Christen und Türken, zur Ehre Gottes, ihres gemeinschaftlichen Vaters, haßten und würgten. Bei der Eroberung von Mexiko haben sich notwendig die glücklichen und erhabenen Kontraste zwischen den europäischen und amerikanischen Sitten, zwischen der Schwärmerei und der wahren Religion, äußern müssen. Und was den Mahomet anbelangt, so ist er der Auszug, die Quintessenz, so zu reden, aus dem ganzen Leben dieses Betrügers; der Fanatismus, in Handlung gezeigt; das schönste philosophischste Gemälde, das jemals von diesem gefährlichen Ungeheuer gemacht worden.«
    { ‡ }
Neunzehntes Stück
    Den 3ten Julius, 1767
    Es ist einem jeden vergönnt, seinen eigenen Geschmack zu haben; und es ist rühmlich, sich von seinem eigenen Geschmacke Rechenschaft zu geben suchen. Aber den Gründen, durch die man ihn rechtfertigen will, eine Allgemeinheit erteilen, die, wenn es seine Richtigkeit damit hätte, ihn zu dem einzigen wahren Geschmacke machen müßte, heißt aus den Grenzen des forschenden Liebhabers herausgehen, und sich zu einem eigensinnigen Gesetzgeber aufwerfen. Der angeführte französische Schriftsteller fängt mit einem bescheidenen, »Uns wäre lieber gewesen« an, und geht zu so allgemein verbindenden Aussprüchen fort, daß man glauben sollte, dieses uns sei aus dem Munde der Kritik selbst gekommen. Der wahre

Weitere Kostenlose Bücher