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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Zuhörer desto gewisser in der Aufmerksamkeit erhalten werden, die sie vielleicht verlieren möchten, wenn sie immer einerlei Instrumente hören sollten. Es ist aber beinahe eine Notwendigkeit, daß die Anfangssymphonie sehr stark und vollständig ist, und also desto nachdrücklicher ins Gehör falle. Die Veränderung der Instrumenten muß also vornehmlich in den Zwischensymphonien erscheinen. Man muß aber wohl urteilen, welche Instrumente sich am besten zur Sache schicken, und womit man dasjenige am gewissesten ausdrücken kann, was man ausdrücken soll. Es muß also auch hier eine vernünftige Wahl getroffen werden, wenn man seine Absicht geschickt und sicher erreichen will. Sonderlich aber ist es nicht allzu gut, wenn man in zwei auf einander folgenden Zwischensymphonien einerlei Veränderung der Instrumente anwendet. Es ist allemal besser und angenehmer, wenn man diesen Übelstand vermeidet.«
    Dieses sind die wichtigsten Regeln, um auch hier die Tonkunst und Poesie in eine genauere Verbindung zu bringen. Ich habe sie lieber mit den Worten eines Tonkünstlers, und zwar desjenigen vortragen wollen, der sich die Ehre der Erfindung anmaßen kann, als mit meinen. Denn die Dichter und Kunstrichter bekommen nicht selten von den Musicis den Vorwurf, daß sie weit mehr von ihnen erwarten und verlangen, als die Kunst zu leisten im Stande sei. Die mehresten müssen es von ihren Kunstverwandten erst hören, daß die Sache zu bewerkstelligen ist, ehe sie die geringste Aufmerksamkeit darauf wenden.
    Zwar die Regeln selbst waren leicht zu machen; sie lehren nur was geschehen soll, ohne zu sagen, wie es geschehen kann. Der Ausdruck der Leidenschaften, auf welchen alles dabei ankömmt, ist noch einzig das Werk des Genies. Denn ob es schon Tonkünstler gibt und gegeben, die bis zur Bewunderung darin glücklich sind, so mangelt es doch unstreitig noch an einem Philosophen, der ihnen die Wege abgelernt, und allgemeine Grundsätze aus ihren Beispielen hergeleitet hätte. Aber je häufiger diese Beispiele werden, je mehr sich die Materialien zu dieser Herleitung sammeln, desto eher können wir sie uns versprechen; und ich müßte mich sehr irren, wenn nicht ein großer Schritt dazu durch die Beeiferung der Tonkünstler in dergleichen dramatischen Symphonien geschehen könnte. In der Vokalmusik hilft der Text dem Ausdrucke allzusehr nach; der schwächste und schwankendste wird durch die Worte bestimmt und verstärkt: in der Instrumentalmusik hingegen fällt diese Hülfe weg, und sie sagt gar nichts, wenn sie das, was sie sagen will, nicht rechtschaffen sagt. Der Künstler wird also hier seine äußerste Stärke anwenden müssen; er wird unter den verschiedenen Folgen von Tönen, die eine Empfindung ausdrücken können, nur immer diejenigen wählen, die sie am deutlichsten ausdrücken; wir werden diese öfterer hören, wir werden sie mit einander öfterer vergleichen, und durch die Bemerkung dessen, was sie beständig gemein haben, hinter das Geheimnis des Ausdrucks kommen.
    Welchen Zuwachs unser Vergnügen im Theater dadurch erhalten würde, begreift jeder von selbst. Gleich vom Anfange der neuen Verwaltung unsers Theaters, hat man sich daher nicht nur überhaupt bemüht, das Orchester in einen bessern Stand zu setzen, sondern es haben sich auch würdige Männer bereit finden lassen, die Hand an das Werk zu legen, und Muster in dieser Art von Komposition zu machen, die über alle Erwartung ausgefallen sind. Schon zu Cronegks Olint und Sophronia hatte Herr Hertel eigne Symphonien verfertiget; und bei der zweiten Aufführung der Semiramis wurden dergleichen, von dem Herrn Agricola in Berlin, aufgeführt.
    { ‡ }
Sieben und zwanzigstes Stück
    Den 31sten Julius, 1767
    Ich will es versuchen, einen Begriff von der Musik des Herrn Agricola zu machen. Nicht zwar nach ihren Wirkungen; – denn je lebhafter und feiner ein sinnliches Vergnügen ist, desto weniger läßt es sich mit Worten beschreiben; man kann nicht wohl anders, als in allgemeine Lobsprüche, in unbestimmte Ausrufungen, in kreischende Bewunderung damit verfallen, und diese sind eben so ununterrichtend für den Liebhaber, als ekelhaft für den Virtuosen, den man zu ehren vermeinet; – sondern bloß nach den Absichten, die ihr Meister dabei gehabt, und nach den Mitteln überhaupt, deren er sich, zu Erreichung derselben, bedienen wollen.
    Die Anfangssymphonie bestehet aus drei Sätzen. Der erste Satz ist ein Largo, nebst den Violinen, mit Hoboen und Flöten; der Grundbaß ist

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