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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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zärtlich scheinen soll; ob man, wenn man unter zwei Aktricen zu wählen hätte, lieber die zur Elisabeth nehmen sollte, welche die beleidigte Königin, mit allem drohenden Ernste, mit allen Schrecken der rächerischen Majestät, auszudrücken vermöchte, oder die, welcher die eifersüchtige Liebhaberin, mit allen kränkenden Empfindungen der verschmähten Liebe, mit aller Bereitwilligkeit, dem teuern Frevler zu vergeben, mit aller Beängstigung über seine Hartnäckigkeit, mit allem Jammer über seinen Verlust, angemessener wäre? Und ich sage: diese.
    Denn erstlich wird dadurch die Verdopplung des nämlichen Charakters vermieden. Essex ist stolz; und wenn Elisabeth auch stolz sein soll, so muß sie es wenigstens auf eine andere Art sein. Wenn bei dem Grafen die Zärtlichkeit nicht anders, als dem Stolze untergeordnet sein kann, so muß bei der Königin die Zärtlichkeit den Stolz überwiegen. Wenn der Graf sich eine höhere Miene gibt, als ihm zukömmt; so muß die Königin etwas weniger zu sein scheinen, als sie ist. Beide auf Stelzen, mit der Nase nur immer in der Luft einhertreten, beide mit Verachtung auf alles, was um sie ist, herabblicken lassen, würde die ekelste Einförmigkeit sein. Man muß nicht glauben können, daß Elisabeth, wenn sie an des Essex Stelle wäre, eben so, wie Essex, handeln würde. Der Ausgang weiset es, daß sie nachgebender ist, als er; sie muß also auch gleich von Anfange nicht so hoch daherfahren, als er. Wer sich durch äußere Macht empor zu halten vermag, braucht weniger Anstrengung, als der es durch eigene innere Kraft tun muß. Wir wissen darum doch, daß Elisabeth die Königin ist, wenn sich gleich Essex das königlichere Ansehen gibt.
    Zweitens ist es in dem Trauerspiele schicklicher, daß die Personen in ihren Gesinnungen steigen, als daß sie fallen. Es ist schicklicher, daß ein zärtlicher Charakter Augenblicke des Stolzes hat, als daß ein stolzer von der Zärtlichkeit sich fortreißen läßt. Jener scheint, sich zu erheben; dieser, zu sinken. Eine ernsthafte Königin, mit gerunzelter Stirne, mit einem Blicke, der alles scheu und zitternd macht, mit einem Tone der Stimme, der allein ihr Gehorsam verschaffen könnte, wenn die zu verliebten Klagen gebracht wird, und nach den kleinen Bedürfnissen ihrer Leidenschaft seufzet, ist fast, fast lächerlich. Eine Geliebte hingegen, die ihre Eifersucht erinnert, daß sie Königin ist, erhebt sich über sich selbst, und ihre Schwachheit wird fürchterlich.
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Sechs und zwanzigstes Stück
    Den 28sten Julius, 1767
    Den ein und dreißigsten Abend (Mittewochs, den 10ten Junius,) ward das Lustspiel der Madame Gottsched, die Hausfranzösin, oder die Mammsell, aufgeführet.
    Dieses Stück ist eines von den sechs Originalen, mit welchen 1744, unter Gottschedischer Geburtshülfe, Deutschland im fünften Bande der Schaubühne beschenkt ward. Man sagt, es sei, zur Zeit seiner Neuheit, hier und da mit Beifall gespielt worden. Man wollte versuchen, welchen Beifall es noch erhalten würde, und es erhielt den, den es verdienet; gar keinen. Das Testament, von eben derselben Verfasserin, ist noch so etwas; aber die Hausfranzösin ist ganz und gar nichts. Noch weniger, als nichts: denn sie ist nicht allein niedrig, und platt, und kalt, sondern noch oben darein schmutzig, ekel, und im höchsten Grade beleidigend. Es ist mir unbegreiflich, wie eine Dame solches Zeug schreiben können. Ich will hoffen, daß man mir den Beweis von diesem allen schenken wird. –
    Den zwei und dreißigsten Abend (Donnerstags, den 11ten Junius,) ward die Semiramis des Herrn von Voltaire wiederholt.
    Da das Orchester bei unsern Schauspielen gewissermaßen die Stelle der alten Chöre vertritt, so haben Kenner schon längst gewünscht, daß die Musik, welche vor und zwischen und nach dem Stücke gespielt wird, mit dem Inhalte desselben mehr übereinstimmen möchte. Herr Scheibe ist unter den Musicis derjenige, welcher zuerst hier ein ganz neues Feld für die Kunst bemerkte. Da er einsahe, daß, wenn die Rührung des Zuschauers nicht auf eine unangenehme Art geschwächt und unterbrochen werden sollte, ein jedes Schauspiel seine eigene musikalische Begleitung erfordere: so machte er nicht allein bereits 1738 mit dem Polyeukt und Mithridat den Versuch, besondere diesen Stücken entsprechende Symphonien zu verfertigen, welche bei der Gesellschaft der Neuberin, hier in Hamburg, in Leipzig, und anderwärts aufgeführet wurden; sondern ließ sich auch in einem besondern

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